Eine solche funktionelle Gleichwertigkeit nationaler Erbrechtszeugnisse ist jedoch innerhalb der EU keinesfalls selbstverständlich; vielmehr weisen die Erbrechtszeugnisse der einzelnen Mitgliedstaaten gravierende Unterschiede in Bezug auf Aussteller und Rechtswirkungen auf:
a) Gerichtliche Erbrechtszeugnisse des deutschen Rechtskreises
Ein dem deutschen Erbschein vergleichbares nationales Erbrechtszeugnis, das von einem dem Grundsatz der Amtsermittlung verpflichteten (vgl. §§ 2358 BGB, 26 FamFG) Gericht ausgestellt wird und mit einer §§ 2365-2367 BGB vergleichbaren Vermutungs- und Gutglaubenswirkung ausgestattet ist, sehen nur wenige Mitgliedstaaten vor, vornehmlich solche des deutschen Rechtskreises, nämlich Österreich, Griechenland, in Frankreich das bis 1918 deutsche Elsass-Lothringen und in Italien die nach dem ersten Weltkrieg erworbenen ehemals österreichischen Provinzen Bolzano, Trento, Triest und Gorica.
b) Notarielle Erbrechtszeugnisse des romanischen Rechtskreises
In Mitgliedstaaten des romanischen Rechtskreises werden Erbrechtszeugnisse hingegen durch Notare ausgestellt, etwa im übrigen Frankreich, im übrigen Italien, in Belgien und in den Niederlanden. Die Notare haben dabei weder die Ermittlungspflicht eines Gerichts noch die Möglichkeiten (und ggf. Zwangsmittel) einer förmlichen Beweiserhebung. Die Rechtswirkungen des jeweiligen Erbrechtszeugnisses bleiben daher hinter denen eines deutschen Erbscheins zurück. Eine Wirkungserstreckung im Wege der Substitution scheidet aus.
In obigem Beispielsfall könnten A und B in Italien einen sog. "atto di notorietà" erlangen, der von einem italienischen Notar ausgestellt wird. Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine eidesstattliche Versicherung über dem Erklärenden bekannte Tatsachen und Umstände. Der atto di notorietà beweist als öffentliche Urkunde iSv Art. 2699 Codice Civile daher nur, dass eine Erklärung über die Kenntnis bestimmter Tatsachen abgegeben wurde, nicht hingegen die inhaltliche Richtigkeit dieser Erklärung. Der atto di notorietà begründet daher keine Vermutung der Rechtsnachfolge und genießt keine Gutglaubenswirkung; letztere ergibt sich im italienischen Recht nur aus allgemeinen Gutglaubenstatbeständen (etwa aus Art. 534 Abs. 2 Codice Civile). Der italienische atto di notorietà kann daher nicht im Wege der Substitution mit einem deutschen Erbschein gleichgestellt werden. Eine Eintragung der Erben (im Beispielsfall A und B) im deutschen Grundbuch gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist auf Grundlage eines italienischen atto di notorietà somit nicht möglich.