Im Hinblick auf die EU-GVO aF hat der EuGH betont, dass deren Vorschriften über die Zuständigkeit (Artt. 2 ff EU-GVO) und über die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen (Artt. 33 ff EU-GVO) keine separaten und autonomen Regelungen darstellen, sondern eng miteinander zusammenhängen: Der vereinfachte Mechanismus der Anerkennung nach Art. 33 Abs. 1 EU-GVO, nach dem die in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden, ohne dass es dafür eines besonderen Verfahrens bedarf, ist durch das gegenseitige Vertrauen gerechtfertigt, das die Mitgliedstaaten einander – insbesondere das Gericht des ersuchten Staates dem Gericht des Ursprungsstaats – entgegenbringen. Dass bei der Anerkennung die internationale Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats grundsätzlich nicht mehr geprüft werden darf (Art. 35 Abs. 3 EU-GVO), lässt sich nur durch vereinheitlichte Zuständigkeitsvorschriften rechtfertigen, die von jedem mitgliedstaatlichen Gericht mit gleicher Sachkenntnis ausgelegt und angewandt werden können. Diese Argumentation des EuGH zur EU-GVO lässt sich auf die Parallelvorschriften der Artt. 4 ff, 39 ff EU-ErbVO übertragen.
a) Art. 64 Satz 1 EU-ErbVO als "Antwort" auf Art. 69 Abs. 1 EU-ErbVO
Indem der Verordnungsgeber der EU-ErbVO in Art. 69 Abs. 1 EU-ErbVO für das ENZ eine spezielle, der Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen funktional vergleichbare Vorschrift zur materiellen Wirkungserstreckung vorsieht, musste er im Hinblick auf das hierfür erforderliche gegenseitige Vertrauen der Mitgliedstaaten auch vereinheitlichte Zuständigkeitsregeln für das ENZ vorsehen; hierin liegt die ratio legis des Art. 64 Satz 1 EU-ErbVO.
b) Keine Regelungen in der EU-ErbVO für nationale Erbrechtszeugnisse
Für nationale Erbrechtszeugnisse sieht die EU-ErbVO jedoch – anders als für das ENZ – keine Vorschriften zur Anerkennung oder zur materiellen Wirkungserstreckung vor. Ob und inwieweit ein Mitgliedstaat nationalen Erbrechtszeugnissen aus anderen Mitgliedstaaten Wirkungen zuerkennt, richtet sich daher weiterhin nach dem Recht dieses Mitgliedstaats, der hierüber souverän entscheiden kann. Die EU-ErbVO zwingt die Mitgliedstaaten also nicht, den nationalen Erbrechtszeugnissen anderer Mitgliedstaaten zu vertrauen. Daher sind vereinheitlichte Zuständigkeitsregeln, die die nationale Kompetenz der Mitgliedstaaten beschneiden würden, für nationale Erbrechtszeugnisse nicht erforderlich.