Da Susi als Tochter der Lebensgefährtin des Verstorbenen auch nach österreichischem Recht keine gesetzliche Erbin ist, steht ihr grundsätzlich kein erbrechtlicher Anspruch zu. Nach neuer Rechtslage kann sie jedoch als "nahestehende Person" iSd § 677 ABGB nF angesehen werden.
Das sogenannte Pflegevermächtnis bringt mit dem ErbRÄG 2015 eine der wichtigsten Neuerungen im österreichischen Erbrecht mit sich und erweitert in bestimmten Fällen den Kreis der (konkreten) gesetzlichen Erben. Die §§ 677, 678 ABGB nF regeln die Abgeltung von Pflegeleistungen nahestehender Personen in Form eines gesetzlichen Vermächtnisses. Als zeitliche Voraussetzung sieht § 677 Abs. 1 ABGB nF die Pflege innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Tod des Verstorbenen sowie einen Zeitraum von zumindest sechs Monaten vor. Gemäß den Erläuterungen der Regierungsvorlage orientiert sich diese Zeitspanne am Bundespflegegeldgesetz, nach dessen § 4 Pflegegeld erst ab einem Betreuungsbedarf von zumindest sechs Monaten besteht. Erhielt der Verstorbene Pflegegeld nach dem BPGG, so ist dies in Österreich ein Indiz dafür, dass auch der für das Pflegevermächtnis erforderliche Zeitraum erfüllt wurde. Als umfängliche Voraussetzung wird die unbestimmte Formulierung von "nicht bloß geringfügigem Ausmaß" verwendet. Dies wird nach den Erläuterungen der Regierungsvorlage üblicherweise dann anzunehmen sein, wenn die Pflege ein Ausmaß von durchschnittlich mehr als 20 Stunden pro Monat in Anspruch genommen hat. Soweit jedoch bereits eine Zuwendung oder ein Entgelt für die geleistete Pflege gewährt oder vereinbart wurde, scheidet die Abgeltung in Form des Pflegevermächtnisses nach § 677 Abs. 1 ABGB nF aus.
Nach § 677 Abs. 2 ABGB nF ist Pflege: "jede Tätigkeit, die dazu dient, einer pflegebedürftigen Person soweit wie möglich die notwendige Betreuung und Hilfe zu sichern sowie die Möglichkeit zu verbessern, ein selbstbestimmtes, bedürfnisorientiertes Leben zu führen".
Nahestehend sind nach § 677 Abs. 3 ABGB nF: "Personen aus dem Kreis der gesetzlichen Erben des Verstorbenen, deren Ehegatte, eingetragener Partner oder Lebensgefährte und deren Kinder sowie der Lebensgefährte des Verstorbenen und dessen Kinder."
Auf ein konkretes gesetzliches Erbrecht kommt es nicht an. Der pflegenden Mutter des Erblassers steht das Vermächtnis daher auch dann zu, wenn diese erbberechtigte Kinder hinterlässt. Unter familienrechtlichen Gesichtspunkten wird überdies der Kreis der Vermächtnisnehmer um bestimmte Angehörige der gesetzlichen Erben erweitert, von denen der Gesetzgeber offenbar annimmt, dass sie üblicherweise Pflegeleistungen erbringen. Das Pflegevermächtnis kann somit auch der pflegenden Schwiegertochter oder dem Stiefkind zukommen.
Die Höhe des Vermächtnisses richtet sich nach Art, Dauer und Umfang der Leistungen (678 Abs. 1 ABGB nF). Die Bemessung orientiert sich dabei primär am dem dem Empfänger verschafften Nutzen, insbesondere an der Ersparnis von eigenen Aufwendungen, etwa für eine andere Arbeitskraft. Auf den Wert der Verlassenschaft soll es dagegen nicht ankommen. § 678 Abs. 2 ABGB nF legt schließlich fest, dass dieses Vermächtnis jedenfalls neben einem allfälligen Pflichtteil gebührt, neben anderen Leistungen aus der Verlassenschaft nur dann nicht, wenn der Verstorbene das verfügt hat. Außerdem kann das Vermächtnis nur bei Vorliegen eines Enterbungsgrundes entzogen werden.
Rechtspolitisch soll das Pflegevermächtnis einen Anreiz zur Unterstützung und Hilfestellung in der Familie schaffen und damit einen Beitrag zur Bewältigung des Problems der zunehmend alternden Gesellschaft leisten. Vor diesem Hintegrund ist es bedauerlich, dass sich im deutschen Recht keine entsprechende Regelung findet.