Fall
Edgar lebt seit vier Jahren mit seiner Lebensgefährtin Marie zusammen. Als Edgar verstirbt, hinterlässt er lediglich seine Mutter und einen Bruder. Weitere Verwandte gibt es nicht. Eine letztwillige Verfügung hat er nicht errichtet. Welche erbrechtlichen Ansprüche stehen der Lebensgefährtin zu?
a) Lösung nach deutschem Recht
Zu gesetzlichen Erben nach Edgar sind zu gleichen Teilen seine Mutter und sein Bruder berufen, § 1925 Abs. 1, 3 BGB. Die Lebensgefährtin geht hingegen leer aus. Nach deutschem Recht haben schließlich nur Ehegatten (§ 1931 BGB) und eingetragene Lebenspartner (§ 10 LPartG) ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nach dem verstorbenen Partner. Für die nichteheliche Lebensgemeinschaft sieht das deutsche Recht demgegenüber keine dem Recht der eingetragenen Lebenspartner entsprechende Sonderregelung vor. Ebenso sind weder § 1931 BGB noch § 10 LPartG analog anwendbar. Hieran vermögen selbst jahrelange Pflegeleistungen des hinterbliebenen Lebenspartners für den Verstorbenen nichts zu ändern. Dies ist vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BGH zum familienrechtlichen Grundsatz der Nichtausgleichung gemeinschaftsbezogener Leistungen auch konsequent. Will der Erblasser also sicherstellen, dass sein nichtehelicher Lebensgefährte nach seinem Tod am Nachlass partizipiert, kann dies nach deutschem Recht nur über die Errichtung einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) geschehen.
b) Lösung nach österreichischem Recht
Auch nach österreichischem Recht kommen hier die vorhandenen Verwandten der zweiten Linie zum Zug. Ist nämlich kein Repräsentant der ersten Linie, also kein Nachkomme vorhanden, so fällt die Verlassenschaft nach § 735 ABGB nF den mit dem Verstorbenen in zweiter Linie Verwandten, also seinen Eltern und deren Nachkommen zu. Leben noch beide Eltern, so gebührt ihnen die ganze Verlassenschaft zu gleichen Teilen. Ist ein Elternteil verstorben, so treten dessen Nachkommen in sein Recht ein. Die Mutter erbt demnach die Hälfte des vorhandenen Nachlasses, der Bruder repräsentiert den vorverstorbenen Vater und erbt ebenfalls die Hälfte des Nachlasses nach Edgar. Da nahe Verwandte vorhanden sind, geht die Lebensgefährtin leer aus. Hinterließe Edgar jedoch keine Verwandten, sieht das Gesetz ab dem 1.1.2017 gemäß § 748 ABGB nF ein außerordentliches Erbrecht des Lebensgefährten vor. Danach erbt der Lebensgefährte, wenn es keine gesetzlichen Erben gibt, vor etwaigen Vermächtnisnehmern und vor allem – das ist u. a. der Telos dieser neuen Regelung – bevor das Vermögen dem Staat zufällt. Voraussetzung für dieses außerordentliche Erbrecht des Lebensgefährten ist allerdings, dass die Lebensgemeinschaft bereits seit mindestens drei Jahren vor dem Tod des Verstorbenen aufrecht bestand und die Partner in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben (§ 748 Abs. 1 ABGB nF). In Ausnahmefällen kann von dem Erfordernis des gemeinsamen Haushalts abgesehen werden, etwa wenn aus beruflichen Gründen ein Zusammenwohnen nicht möglich gewesen wäre. Hier ist zum Beispiel auch ein Leben in unterschiedlichen Altersheimen denkbar. In solch einem Fall muss die Lebensgemeinschaft allerdings anders erkennbar gewesen sein, das Gesetz spricht von einer "sonst für Lebensgefährten typischen Verbundenheit" (§ 748 Abs. 2 ABGB nF). Laut den Erläuterungen der Regierungsvorlage wurde vor allem an Beziehungen mit einem "gefestigten Bestand", welche von "Dauerhaftigkeit" geprägt sind, gedacht. Der österreichische Gesetzgeber geht offenbar davon aus, dass es eher dem hypothetischen Erblasserwillen entspricht, dass sein Vermögen an den langjährigen Lebensgefährten übergeht, als dass es dem Staat zufallen soll. Aufgrund der gesetzlichen Erfordernisse der mindestens dreijährigen Haushaltsgemeinschaft und den damit in Zusammenhang stehenden Auslegungsbedürfnissen, empfiehlt sich jedoch auch in Österreich nach wie vor die Errichtung einer letztwilligen Verfügung, wenn man dem Lebensgefährten sein Vermögen zukommen lassen möchte.