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Das deutsche Erbrecht ist Bestandteil des BGB von 1900 und besteht im Wesentlichen seit damals unverändert fort. Im Jahre 2010 erfuhr das Erbrecht in Deutschland die letzte und bis dato einzige große Reform, die unter anderem verjährungsrechtliche Änderungen und eine Reform des Pflichtteilsrechts, darunter das Abschmelzungsmodell bei lebzeitigen Schenkungen des Erblassers, mit sich brachte. Die lange erwartete Reform ist in Deutschland bekanntlich ein "Reförmchen" geblieben. Grundlegende Veränderungen, wie die von vielen Juristen erwartete nachträgliche (testamentarische) Anrechnung von Vorempfängen, sind nicht Gesetz geworden.
A. Einleitung
Das im Vergleich mit dem deutschen Erbrecht sogar noch einmal um beinahe ein Jahrhundert ältere österreichische Erbrecht hat sich als ähnlich beständig erwiesen. Es stammt aus der Urfassung des ABGB von 1811 und blieb seitdem, von wenigen punktuellen Ausnahmen abgesehen, weitgehend unangetastet. Das Jahr 2017 bringt nun, knapp 10 Jahre nach der Erbrechtsreform in Deutschland, auch für die österreichischen Nachbarn neuen Wind. Das Erbrechtsänderungsgesetz 2015 trat mit einigen Bestimmungen in Umsetzung der EuErbVO dabei bereits im August 2016 in Kraft, größtenteils greift es jedoch mit Wirkung zum 1.1.2017. Die Novelle beinhaltet unter anderem eine sprachliche Anpassung. Begriffe wie "Legat", "Fideikommissarische Substitution" oder auch "Noterbe" wurden einer Modernisierung unterzogen und sollen zu einer besseren Laienverständlichkeit führen. Die Reform verfolgt in Österreich vor allem aber auch das Ziel, im Erbrecht die Entwicklungen der letzten 200 Jahre in gesellschaftlicher, sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht nachzuvollziehen und (wieder) auf den Stand der Zeit zu bringen. Auch wurden große Teile der gesicherten Rechtsprechung und Lehre der letzten 200 Jahre nun in die erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB aufgenommen und somit schriftlich untermauert.
Neben den nationalen Reformen der erbrechtlichen Regelungen beider Länder rückt auch die für alle Erbfälle nach dem 17.8.2015 anwendbare Europäische Erbrechtsverordnung das Erbrecht ins Zentrum des Interesses der damit diesseits wie jenseits der Alpen vertrauten Zivilrechtler. Ziel der Verordnung ist es bekanntlich, die Abhandlung grenzüberschreitender Nachlässe und Verlassenschaften zu vereinfachen. Dieser Wunsch nach Vereinfachung wurde zuletzt aufgrund der stetig ansteigenden Zahl von erbrechtlichen Sachverhalten mit Auslandsberührung immer größer. Damit einhergehend, eröffnet die Verordnung dem erbrechtlich versierten Juristen aber auch einen immens erweiterten Gestaltungsspielraum – vorausgesetzt jedenfalls, er kennt die Möglichkeiten und Fallstricke beider Rechtsordnungen.
Eine optimale Abhandlung grenzüberschreitender erbrechtlicher Sachverhalte erfordert mehr denn je eine exakte Kenntnis der betroffenen Rechtsordnungen. Auch wenn die Erbrechtsreform in Österreich in sprachlicher Hinsicht für viele Angleichungen an das bundesdeutsche Recht gesorgt hat – blenden lassen sollte sich der deutsche Jurist von diesem vermeintlichen Gleichlauf nicht. Der nachfolgende Beitrag soll dem interessierten Leser überraschende Unterschiede und vielleicht auch Gemeinsamkeiten zwischen beiden Rechtsordnungen deutlich machen.
B. Hauptteil
I. Erbrechtliche Ansprüche des Lebensgefährten
Fall
Edgar lebt seit vier Jahren mit seiner Lebensgefährtin Marie zusammen. Als Edgar verstirbt, hinterlässt er lediglich seine Mutter und einen Bruder. Weitere Verwandte gibt es nicht. Eine letztwillige Verfügung hat er nicht errichtet. Welche erbrechtlichen Ansprüche stehen der Lebensgefährtin zu?
a) Lösung nach deutschem Recht
Zu gesetzlichen Erben nach Edgar sind zu gleichen Teilen seine Mutter und sein Bruder berufen, § 1925 Abs. 1, 3 BGB. Die Lebensgefährtin geht hingegen leer aus. Nach deutschem Recht haben schließlich nur Ehegatten (§ 1931 BGB) und eingetragene Lebenspartner (§ 10 LPartG) ein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nach dem verstorbenen Partner. Für die nichteheliche Lebensgemeinschaft sieht das deutsche Recht demgegenüber keine dem Recht der eingetragenen Lebenspartner entsprechende Sonderregelung vor. Ebenso sind weder § 1931 BGB noch § 10 LPartG analog anwendbar. Hieran vermögen selbst jahrelange Pflegeleistungen des hinterbliebenen Lebenspartners für den Verstorbenen nichts zu ändern. Dies ist vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BGH zum familienrechtlichen Grundsatz der Nichtausgleichung gemeinschaftsbezogener Leistungen auch konsequent. Will der Erblasser also sicherstellen, dass sein nichtehelicher Lebensgefährte nach seinem Tod am Nachlass partizipiert, kann dies nach deutschem Recht nur über die Errichtung einer letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) geschehen.