Leitsatz

Der Anspruch des § 2287 Abs. 1 BGB erfordert sowohl das Vorliegen einer Schenkung als auch das Vorliegen einer Beeinträchtigungsabsicht des Erblassers. Zwischen diesen Anspruchsvoraussetzungen muss zwingend differenziert werden.

Hat sich der Erblasser in einem Grundstücksübertragungsvertrag den Nießbrauch an dem übertragenen Grundbesitz vorbehalten und ist seitens des Übernehmers eine Pflegeverpflichtung übernommen worden, so sind diese Punkte bei der Prüfung des Vorliegens einer Schenkung zu berücksichtigen.

BGH, Urteil vom 28. September 2016 – IV ZR 513/15

Sachverhalt

Der Kläger begehrt von der Beklagten, seiner Schwester, Zahlung von 60.000 EUR wegen einer beeinträchtigenden Schenkung. Die Eltern der Parteien setzten sich mit Testament vom 14.6.1995 wechselseitig zu Erben sowie die Parteien zu gleichen Teilen als Erben des Längstlebenden ein. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 1995 übertrug der 1928 geborene Vater der Parteien (im Folgenden: Erblasser) mit Vertrag vom 26.1.1999 sein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück auf die Beklagte. Der Erblasser behielt sich an dem gesamten Grundstück ein lebenslanges Nießbrauchsrecht sowie ein unter näher genannten Voraussetzungen ausübbares vertragliches Rücktrittsrecht vor. Ferner verpflichtete sich die Beklagte, den Erblasser "Zeit seines Lebens in gesunden und kranken Tagen, jedoch nur bei Bedarf, in seiner Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen". Der Verkehrswert des Grundstücks wurde mit 140.000 DM angegeben. Der Erblasser verstarb am 17.8.2012. Er hatte bis kurz vor seinem Tod in dem Haus gewohnt, ohne pflegebedürftig geworden zu sein. Mit Vertrag vom 29.11.2012 veräußerte die Beklagte das Grundstück für 120.000 EUR.

Der Kläger nimmt die Beklagte – soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse – auf Zahlung von 60.000 EUR nebst Zinsen wegen der nach seiner Auffassung beeinträchtigenden Schenkung des Grundstücks in Anspruch. Die Beklagte meint, wegen des vertraglich vereinbarten Nießbrauchs, des Rücktrittsvorbehalts und der Pflegeverpflichtung liege bereits keine Schenkung vor. Außerdem habe der Erblasser wegen der Pflegeverpflichtung ein lebzeitiges Eigeninteresse an der Übertragung des Grundstücks gehabt.

Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage die Beklagte verurteilt, an den Kläger 60.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.10.2014 zu zahlen. Das Kammergericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Mit der Revision erstrebt sie weiterhin die Abweisung der Klage.

Aus den Gründen

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Es hat ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 60.000 EUR wegen einer beeinträchtigenden Schenkung in entsprechender Anwendung von § 2287 Abs. 1 BGB zu. Die Grenze zwischen den Fallgestaltungen des Missbrauchs und Fällen, in denen der Vertragserbe schutzlos bleibe, werde mit Hilfe der Frage nach dem lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers gezogen. Im Vordergrund stehe dabei eine Missbrauchsprüfung, bei der aus den objektiven Kriterien Rückschlüsse auf die subjektive Einstellung des Erblassers gezogen werden könnten. Diese Abwägung ergebe, dass kein nachvollziehbares Eigeninteresse des Erblassers an der Schenkung vorgelegen habe. Das Nießbrauchsrecht sei bei der Frage, ob es sich um eine Schenkung handele, nicht zu berücksichtigen. Der Erblasser habe schon vor dem Überlassungsvertrag in dem Haus gewohnt. Nach seinem Tod habe die Beklagte allein über das Grundstück verfügungsberechtigt sein sollen, ohne dass sie bezogen auf das mit dem Nießbrauch verbundene Wohnrecht des Erblassers eine Gegenleistung zu erbringen gehabt habe. Die vereinbarte Pflegeverpflichtung stehe der Beeinträchtigungsabsicht ebenfalls nicht entgegen. Der Erblasser habe sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bester Gesundheit erfreut. Die Übernahme der Pflegeverpflichtung sei daher ohne messbaren wirtschaftlichen Wert. Die Beklagte habe auch in der Folgezeit keine Pflegeleistungen erbracht. Es habe lediglich die abstrakte Gefahr bestanden, eines Tages pflegebedürftig zu werden. Zutreffend sei zwar, dass die Benachteiligungsabsicht vom Kläger zu beweisen sei. Diesen Beweis müsse er aber nur dann führen, wenn dazu streitige Tatsachen vorlägen, was hier nicht der Fall sei. Unter Berücksichtigung dieser Umstände überwiege damit die Unentgeltlichkeit der Überlassung des Grundstücks, sodass noch nicht einmal von einer gemischten Schenkung gesprochen werden könne. Schließlich sei bei der Wertberechnung nicht auf den Zeitpunkt der Zuwendung, sondern den des Todes des Erblassers abzustellen.

In diesem Zeitpunkt habe das nur kurze Zeit später veräußerte Grundstück einen Wert von 120.000 EUR gehabt.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht der Klage nicht stattgeben.

1. Zutreffend ge...

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