Fraglich ist, ob unter erbschaftsteuerlichen Gesichtspunkten die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs auch nach dem Tod des überlebenden Ehepartners erfolgen kann, zumal dann der wesentliche Schutzzweck der Klausel mit dessen Tod weggefallen ist. Neben der Frage der Ausnutzung des Erbschaftsteuerfreibetrages stellt sich dann auch die Frage, ob die nachträgliche Geltendmachung zu einer Verbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 ErbStG und somit zu einer Reduzierung des Nachlasses des Erstversterbenden führt.
Mit Beschluss vom 15.9.2009 hat der BFH entschieden, dass ein Abzug von Nachlassverbindlichkeiten bei der Berechnung der Bemessungsgrundlage voraussetzt, dass die Verbindlichkeiten rechtlich bestehen und diese den Erblasser im Todeszeitpunkt wirtschaftlich belastet haben. Eine solche wirtschaftliche Belastung liegt nicht vor, wenn der Erblasser als Schuldner davon ausgehen konnte, die Verpflichtung unter normalen Umständen nicht selbst erfüllen zu müssen. Ob dies der Fall ist, ist eine Frage des Einzelfalls.
Mit Urteil vom 19.2.2013 hat der BFH die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs, und damit eine Begründung einer Nachlassverbindlichkeit durch den Schlusserben in einem Fall, in dem der Pflichtteilsanspruch noch nicht verjährt war, als zulässig angesehen. Das von der Rechtsprechung für notwendig erachtete Kriterium einer wirtschaftlichen Belastung hat der BGH in diesem Fall insoweit als erfüllt angesehen, als die wirtschaftliche Belastung auch nachträglich mit Rückwirkung auf den Erbfall durch den Schlusserben herbeigeführt werden kann. In einem solchen Fall reiche die Geltendmachung gegenüber dem Finanzamt aus. Das Erfordernis, dass der Erblasser mit einer Inanspruchnahme rechnen musste, andernfalls eine Abzugsfähigkeit der Pflichtteilsverbindlichkeit nicht gegeben ist, verfolgt der BFH mit der Begründung nicht weiter, dass die Geltendmachung auf den Zeitpunkt des ursprünglichen Erbfalls zurückwirkt (§ 175 Abs.1 S. 1 AO).
Ob dies auch für den Fall gilt, dass der Pflichtteilsanspruch im Zeitpunkt des Eintritts des Schlusserbfalls bereits verjährt war, hat der BFH im Urteil vom 19.2.2013 nicht zu entscheiden gehabt. Das Hessische Finanzgericht hat in seinem Urteil vom 3.11.2015 eine Abzugsfähigkeit des bereits verjährten Pflichtteilsanspruchs abgelehnt. Zur Begründung führt es aus, dass bei Fehlen eines natürlichen Interessengegensatzes die Geltendmachung eines verjährten Pflichtteilsanspruchs nicht berücksichtigt werden kann. Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht sieht hingegen eine Abzugsfähigkeit des verjährten Pflichtteilsanspruchs als zulässig an. Aufgrund des § 10 Abs. 3 ErbStG ist der Anspruch zum einen erbschaftsteuerlich nicht erloschen. Im Übrigen, führt das FG aus, ist eine verjährte Forderung nur einredebehaftet, und die Erfüllung einer bereits verjährten Forderungen steht nach hM einer Geltend- machung als Nachlassverbindlichkeit nicht entgegen. Gegen die Entscheidung ist Revision beim BFH eingelegt.