Leitsatz
Auch die Erbeserben sind berechtigt, nach § 1981 Abs. 1 BGB die Anordnung der Nachlassverwaltung zu beantragen.
Thüringer OLG, Beschluss vom 10. September 2008 – 9 W 395/08
Sachverhalt
I. Die Antragstellerinnen begehren die Anordnung der Nachlassverwaltung hinsichtlich des Nachlasses nach dem am 7.4.1994 verstorbenen W. G. Alleinerbin nach W. G. war aufgrund eines gemeinschaftlichen Testaments dessen Ehefrau E. G., die am 25.3.2003 verstorben ist. Die Antragstellerinnen sind die gesetzlichen Erben nach E. G.
W. und E. G. waren Miteigentümer eines Wohnhauses zu je 1/2, das nach Angaben der Antragstellerinnen 1994 mit hohen Verbindlichkeiten belastet war. E. G. hatte die Erbschaft nach ihrem Ehemann angenommen und das Wohnhaus ihrem Sohn U. G. übertragen, der auch die Verbindlichkeiten übernahm. U. G. hat die Erbschaft nach seiner Mutter ausgeschlagen. Nach dem Tod der E. G. macht die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben gegen die Antragstellerinnen Forderungen von 90.000 DM und 35.520,14 DM aus einer mit W. G. im Zusammenhang mit der Reprivatisierung eines Unternehmens geschlossenen Vereinbarung vom 2.9.1992 geltend.
Die Antragstellerinnen wollen die Haftung für die Verbindlichkeiten des W. G. auf dessen Nachlass beschränken und haben deswegen bei dem Nachlassgericht Gotha die Anordnung der Nachlassverwaltung hinsichtlich des Nachlasses des W. G. beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, das Antragsrecht nach § 1981 Abs. 1 BGB stehe nicht nur dem unmittelbaren Erben, sondern auch den Erbeserben zu. Da der Nachlass überschuldet gewesen sei, sei der Antrag wohl nach § 1982 BGB abzulehnen. Konkrete Angaben zur Masse haben sie nicht gemacht.
Das Nachlassgericht hat den Antrag am 8.4.2008 abgelehnt, da das Antragsrecht nur den Erben, nicht hingegen den Erbeserben zustehe.
Die gegen diese Entscheidung eingelegte Beschwerde hat das LG Erfurt am 17.6.2008 zurückgewiesen. (...)
Aus den Gründen
Die nach den §§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1 FGG zulässige weitere Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des LG Erfurt beruht auf einem Rechtsfehler, §§ 27 FGG, 546 ZPO.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen steht das Recht, die Anordnung der Nachlassverwaltung zu beantragen, nicht nur dem unmittelbaren Erben, sondern auch dem Erbeserben zu und unterliegt keinen zeitlichen Beschränkungen.
Nach § 1981 Abs. 1 BGB ist die Nachlassverwaltung von dem Nachlassgericht anzuordnen, wenn der Erbe die Anordnung beantragt. Weitere Voraussetzungen oder eine zeitliche Begrenzung sieht § 1981 BGB nicht vor. Nach § 2013 Abs. 1 Satz 1 BGB steht dem Erben nur dann kein Antragsrecht zu, wenn er für die Nachlassverbindlichkeiten (bereits) unbeschränkt haftet. Miterben können die Nachlassverwaltung nur gemeinschaftlich und vor Erbauseinandersetzung beantragen (§ 2062 BGB). Neben den Erben sieht das Gesetz nur für den Nachlassgläubiger (§ 1981 Abs. 2 BGB), den Nacherben (§ 2144 BGB) und den Erbschaftskäufer (§ 2383 BGB) ein Antragsrecht ausdrücklich vor.
Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Regelung auch für den Erbeserben ist jedoch nicht zu schließen, dass ihm ein Antragsrecht nicht zustehen soll. Seine Berechtigung ergibt sich vielmehr unmittelbar aus § 1922 BGB. Die in § 1922 BGB normierte Gesamtrechtsfolge bedeutet den Übergang aller vererblichen Rechtspositionen auf den Erben. So gehen nicht nur das Aktivvermögen und die Verbindlichkeiten (sei es unmittelbar nach § 1922 BGB oder nach § 1967), sondern auch sonstige bestehende vermögensrechtliche Rechtslagen, wie z. B. ein Anwartschaftsrecht oder die Bindung an ein Vertragsangebot, über, soweit sie nicht kraft Gesetzes oder aufgrund vertraglicher Vereinbarung in besonderem Maße personenbezogen sind. Im Zweifel ist von der Vererblichkeit auszugehen, da § 1922 BGB die Regel des Übergangs formuliert (vgl. Leipold in MüKo/BGB, § 1922 Rn 16, 21; Soergel/Stein, 13. Aufl., § 1922 Rn 14). Die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auf den Nachlass stellt eine solche vermögensrechtliche Rechtslage dar. Weder weist diese Position besondere personellen Bezüge auf noch ändert sich mit dem Rechtsübergang auf den Erbeserben der Inhalt der Rechts. Auch gereicht der Übergang auf den Erbeserben den Nachlassgläubigern nicht zum Nachteil. Diese müssen nämlich auch zu Lebzeiten des Erben ohne zeitliche Beschränkung und ohne Rücksicht auf eine erfolgte Vermischung des Nachlasses mit dem Eigenvermögen des Erben jederzeit mit einer Berufung des Erben auf die beschränkte Erbenhaftung rechnen. Eine Einschränkung dieses Rechts kommt nur dann in Betracht, wenn der Erbe durch sein Verhalten zu verstehen gegeben hat, er werde dieses Recht nicht mehr geltend machen; nur dann kann sein Recht, sich auf die beschränkte Haftung zu berufen und damit bereits sein Antragsrecht nach 1981 Abs. 1 BGB verwirkt sein. Dafür ist vorliegend aber nichts ersichtlich. Durch den Übergang der Rechtsposition auf den Erbeserben ändert sich die Rechtsposition des Nachlassgläubigers nicht. Ebenso wie von dem Erben kann er nun von dem Erbeserb...