1. Einleitung
Die Möglichkeit der Konfliktentstehung in einer Erbengemeinschaft wird heute durch die Existenz von Vorsorgevollmachten vergrößert. Von mehreren Kindern bevollmächtigt ein Elternteil regelmäßig nur eines. Dies ist grundsätzlich auch sinnvoll, um ein Gegeneinander der Bevollmächtigten zu vermeiden. Die Auswahl kann auf einer engen persönlichen Beziehung oder schlicht räumlicher Nähe beruhen. Dies weckt nicht selten das Misstrauen der nicht bevollmächtigten Geschwister. Sie fühlen sich ausgeschlossen. Ohne (ausreichende) Informationen vermuten sie häufig Unregelmäßigkeiten. Durch den Erbfall werden sie dann Mitberechtigte gegenüber dem bevollmächtigten Geschwister, was zu Konflikten in der Erbengemeinschaft führen kann. Hat der Bevollmächtigte – unter Umständen mit Hilfe der Vollmacht – auch Teile des Nachlasses aufgelöst (z. B. die Wohnung geräumt), fühlen sich die anderen "ihrer Rechte beraubt".
2. Miterbe als Bevollmächtigter
Wird der überwiegenden Meinung gefolgt, müsste auch die Vollmacht für den bevollmächtigten Miterben mit dem Erbfall durch Konfusion erlöschen. Nach ihr zerfällt die Vollmacht mit dem Erbfall in Einzelvollmachten der Miterben.
Dagegen spricht aber, dass Rechtsnachfolger des Erblassers die Erbengemeinschaft ist. Vollmachtgeber müsste nach dem Erbfall die Erbengemeinschaft sein. Ein Zerfallen der Vollmacht in Einzelvollmachten würde dem Grundsatz der Universalsukzession widersprechen.
Das Zugrundelegen der überwiegenden Meinung hat insbesondere für die Haftung erhebliche Folgen: Für den bevollmächtigten Miterben müsste dies bedeuten, dass die von ihm auf der Grundlage der Vollmacht abgegebenen Erklärungen für seine Miterben eine Nachlassverbindlichkeit und für ihn eine Eigenverbindlichkeit entstehen lassen würden.
Allerdings würde ein Miterbe die anderen auch durch eine nach dem Erbfall von den einzelnen Miterben erteilte Vollmacht zwar vertreten, aber dadurch keine Verbindlichkeiten für die Erbengemeinschaft begründen können. Der Rechtsprechung des BGH folgend wäre der Miterbe daran gehindert, in diesem Sinne für die Erbengemeinschaft zu handeln.
Bei Handlungen eines Erben für die Erbengemeinschaft ist zu differenzieren: Wenn die Miterben nach außen handeln – etwa um einen Handwerker zu beauftragen –, ist regelmäßig die Frage wichtig, ob sie auch mit ihrem Privatvermögen haften. Das Auftreten nach außen ist wesentlich: Handeln Miterben nach außen gemeinschaftlich und offen erkennbar für den Nachlass, haften sie nicht mit ihrem Eigenvermögen, sondern ausschließlich mit dem Nachlass. Bei Maßnahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung gewährt ein Mehrheitsbeschluss dem oder den handelnden Miterben eine Vollmacht, die Erbengemeinschaft zu vertreten.
Ist das Handeln für die Erbengemeinschaft nach außen nicht erkennbar, haften die Erben persönlich. Durften die handelnden Erben die anderen nicht vertreten – etwa weil eine außerordentliche Verwaltungsmaßnahme gemäß § 2038 Abs. 1 S. 1 BGB vorlag – werden die Erbengemeinschaft und die anderen Erben auch nicht vertreten. Die handelnden Erben können aus schuldrechtlichen Gründen haften.
3. Widerruf der Vollmacht gegenüber Dritten
Nach der – zumindest in der Kommentarliteratur – überwiegenden Meinung hat jeder Miterbe das Recht zum Widerruf. Die Vertretungsmacht des Bevollmächtigten für die anderen Miterben wird dadurch aber nicht berührt und bleibt daher bestehen. Eine wirksame Vertretung ist nur insoweit weiter möglich.
Der Bevollmächtigte kann nach dem Widerruf eines Miterben folglich nicht mehr über einzelne Nachlassgegenstände verfügen. Er muss dann mit den entsprechenden Miterben zusammen handeln.
Die schon von Eule vertretene Gegenmeinung hat zuletzt besonders Madaus weiter unterstützt: Danach ist der Widerruf eine Verwaltungsmaßnahme, die der Erbengemeinschaft gemäß § 2038 Abs.1 S. 1 BGB "grundsätzlich nur gemeinschaftlich" zusteht. Zunächst würde durch die Vollmacht nicht jeder Erbe direkt und einzeln verpflichtet, sondern der Nachlass. Da der Bevollmächtigte zur Verfügung allein über den Nachlass als "gesamthänderisches Sondervermögen der Miterben" berechtigt sei, komme eine Repräsentation der einzelnen Miterben nicht in Betracht. Mit diesem Argument könne das Widerrufsrecht jedes einzelnen Erben für sich nicht begründet werden.
Die von der Kommentarliteratur aufgenommene andere Ansicht bezieht sich zum Teil auf ein Urteil des BGH vom 24.9.1959. Nach Madaus sei die "Bemerkung" des BGH in dem Urteil "missverständlich". Der BGH machte – folgt man der zutreffenden Ansicht von Eule und Madaus "leider" – allerdings keine "Bemerkung", sondern stellte seine Ansicht klar und ausführlich dar:
Zitat
"Entscheidend für die Richtigkeit der vom Kammergericht vertretenen Ansicht ist vielmehr die rechtliche Eigenart der Erbengemeinschaf...