Leitsatz
Die auf einem Notizzettel eigenhändig geschriebene und unterschriebene Aufforderung, "anliegende" Unterlagen dem Notar zu geben, "damit der Erbschein für Dich ausgestellt werden kann", stellt mangels hinreichend sicher feststellbaren Testierwillens keine formwirksame letztwillige Verfügung dar.
OLG München, Beschluss vom 25. September 2008 – 31 Wx 042/08
Sachverhalt
Der Erblasser ist am 20.4.2005 im Alter von 76 Jahren verstorben; er war seit 2003 an Krebs erkrankt. Die Beteiligte zu 1 ist seine Ehefrau, die Beteiligte zu 2 die gemeinsame Tochter. Eine weitere Tochter ist als Kind tödlich verunglückt.
Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus dem Hälfteanteil des Erblassers am Wohnhaus der der Eheleute sowie Bankguthaben und Wertpapieren; der Reinnachlasswert beträgt rund 730.000 EUR.
Es liegt ein privatschriftliches Testament vom 30.3.2005/ 4.4.2005 vor, das von der Beteiligten zu 1 geschrieben, aber nur vom Erblasser unterschrieben wurde. Es lautet im Wesentlichen wie folgt:
Zitat
Unser Testament!
Wir ... errichten hiermit das folgende, gemeinsame Testament: Wir setzen uns hiermit zu Alleinerben, also Vollerben gegenseitig ein. Erbin des Längerlebenden soll unsere Enkelin K. (Tochter der Beteiligten zu 2), geb ... 2000 sein. Das Erbe soll ihr nach ihrer Volljährigkeit zur Verfügung stehen. Im Falle des Todes oder Unmündigkeit eines der vorstehenden Vollerben ist der Längerlebende berechtigt, dieses Testament zu ändern.
M., den 30.3.2005
Den Verfügungen dieses Testaments schließe ich mich an
(Unterschrift Erblasser) M., 4.4.2005
Ferner liegt ein Zettel im Format von ca. 7,5 cm x 10,5 cm vor, auf dem der Erblasser handschriftlich niedergelegt hat:
Zitat
Liebe (Vorname der Beteiligten zu 1)
Gib diese Unterlagen nach meinem Tode an den Notar, damit der Erbschein für Dich ausgestellt werden kann. Aufgrund dass der Längerlebende das Testament ändern kann, kannst Du ja später alles ändern.
In Liebe Dein (Vorname, Nachname des Erblassers), 30.3.2005
Welche Unterlagen sich bei dem Zettel befunden haben, vermochte die Beteiligte zu 1 weder ggü. dem Nachlassgericht noch im weiteren Verfahren anzugeben.
Die Beteiligte zu 2 hatte mit notariellem Vertrag vom 6.11.1995 im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Hauses von ihren Eltern 400.000 DM geschenkt bekommen. Mit notarieller Urkunde vom 16.12.2003 hatte sie auf den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verzichtet und hierfür 60.000 DM erhalten.
Nach Hinweis auf die Formunwirksamkeit des gemeinschaftlichen Testaments vom 30.3./4.4.2005 erklärte die Beteiligte zu 1 am 27.6.2005 zur Niederschrift des Nachlassgerichts:
Zitat
"Ich habe zwei gemeinschaftliche Testamente vernichtet, bei denen der Text vom Erblasser verfasst war und die unsere beiden Unterschriften tragen. Diese befanden sich in einer Mappe ..., die sämtliche Anordnungen für den Todesfall enthielt."
In beiden Testamenten war festgehalten, dass sich die Eheleute zu Erben einsetzen und freie Verfügungsbefugnis über die Immobilie haben sollen. Als Schlusserbin nach dem Tod der Eheleute wurde K. (Tochter der Beteiligten zu 2) eingesetzt. Weitere Anordnungen wurden nicht getroffen. Dem überlebenden Ehegatten wurde eine Änderungsbefugnis der testamentarischen Anordnungen eingeräumt.
Zitat
"Ich hatte zum Zeitpunkt der Einsendung des unwirksamen Testamentes keinen Überblick über die Unterlagen des Verstorbenen. Als ich den gerichtlichen Hinweis über die Unwirksamkeit des in den Nachlassakten befindlichen Testamentes erhielt, habe ich die weiteren Testamente vernichtet. Den Zettel mit den weiteren Anordnungen für den Todesfall habe ich erst später gefunden."
Am 8.9.2005 wurde antragsgemäß ein gemeinschaftlicher Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge erteilt, der die Beteiligten als Miterbinnen zu je 1/2 ausweist. Mit Schriftsatz ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 14.3.2007 beantragte die Beteiligte zu 1, diesen Erbschein einzuziehen und ihr einen Alleinerbschein aufgrund Testaments zu erteilen, denn jedenfalls im Zusammenhang mit dem handschriftlichen Zettel stelle das Testament vom 30.3./4.4.2005 eine wirksame letztwillige Verfügung des Erblassers dar, hilfsweise sei der Zettel selbst als eigenständiges wirksames Testament anzusehen. Die Beteiligte zu 2 ist dem Antrag entgegengetreten. Mit Beschluss vom 5.7.2007 ordnete das Nachlassgericht die Einziehung des Erbscheins vom 8.9.2005 an und kündigte die Erteilung eines Alleinerbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 an. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2 wies das LG mit Beschluss vom 11.2.2008 zurück. Gegen diese Entscheidung richtet sich ihre weitere Beschwerde.
Aus den Gründen
Die zulässige weitere Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und Abweisung des Antrags auf Einziehung des Erbscheins vom 8.9.2005. (...) Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO) nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das LG angenommen, die Urkunde vom 30.3.2005 stelle eine für die Erbfolge maßgebliche letztwillige Verfügung dar.
a) Für die Wirksamkeit eines ...