Leitsatz
Über ein Ablehnungsgesuch im FGG-Verfahren, das ohnehin nur den fakultativen Einzelrichter kennt, entscheidet gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 LFGG BW immer die Zivilkammer des Landgerichts in ihrer vollen Besetzung.
OLG Stuttgart, Beschluss vom 16. Oktober 2009 – 8 W 409/09
Sachverhalt
Die Antragstellerin hat den Vormundschaftsrichter mit Schriftsatz vom 8. September 2009 wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Gesuch wurde durch den Einzelrichter der 8. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen mit Beschluss vom 24. September 2009 für unbegründet erklärt. Hiergegen hat die Antragstellerin durch ihren Verfahrensbevollmächtigten rechtzeitig sofortige Beschwerde eingelegt.
Aus den Gründen
(...) In der Sache führt die sofortige Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts, weil das Landgericht durch den Einzelrichter nicht in der vorschriftsmäßigen Besetzung entschieden hat und damit der absolute Beschwerdegrund des § 547 Nr. 1 ZPO analog vorliegt (OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 564; BayObLG FamRZ 2004, 1137; Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, § 30 Rn 3; je mwN).
Die vorliegende Betreuungssache richtet sich nach dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der vor dem 1. September 2009 geltenden Fassung (Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG). Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 LFGG BW entscheidet über die Ablehnung eines Notars im Landesdienst wegen Besorgnis der Befangenheit das Landgericht, und zwar gem. § 75 GVG durch die Zivilkammer als Kollegialgericht, soweit nicht nach den Vorschriften der Prozessgesetze anstelle der Kammer der Einzelrichter zu entscheiden hat.
Der Gesetzgeber hat sich im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit aber auf die Einführung des fakultativen Einzelrichters (§ 30 Abs. 1 Satz 3 FGG iVm § 526 ZPO für das Beschwerdeverfahren) beschränkt und davon abgesehen, den originären Einzelrichter (§§ 348, 568 ZPO) einzuführen (Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003/2005, § 30 Rn 8; Sternal in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 68 Rn 95; je für das Beschwerdeverfahren und mwN).
Im Übrigen hat der Bundesgerichtshof selbst für das Verfahren der ZPO entschieden, dass über ein Ablehnungsgesuch gegen den nach § 348 oder § 348 a ZPO zuständigen Einzelrichter gem. § 45 Abs. 1 ZPO die Zivilkammer ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters zu entscheiden hat (BGH NJW 2006, 2492; OLG Oldenburg NJW-RR 2005, 1660; je mwN) und ebenfalls bei einem Befangenheitsantrag gegen den Einzelrichter gem. § 526 Abs. 1 ZPO das Berufungsgericht in der Besetzung mit drei Mitgliedern ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (BGH NJW-RR 2007, 776 mwN).
Hieraus kann geschlossen werden, dass im Falle der Entscheidung über ein Ablehnungsgesuch im FGG-Verfahren (hier: aF), das ohnehin nur den fakultativen Einzelrichter kennt, gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 LFGG BW immer die Zivilkammer des Landgerichts in ihrer vollen Besetzung zu entscheiden hat (Bassenge/Roth, FGG/RpflG, 11. Aufl. 2007, § 6 FGG Rn 25; Bumiller/Winkler, aaO, § 6 Rn 16; Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler, aaO, § 6 Rn 56 und 67 a; Richter/Hammel, LFGG BW, 4. Aufl. 1995, § 5 Rn 2; Bumiller/Harders, FamFG, 9. Aufl. 2009, § 6 Rn 20; Zimmermann in Keidel, FamFG, 16. Aufl. 2009, § 6 Rn 42; je mwN).
Vergleichbar ist die durch § 5 Abs. 1 Satz 2 LFGG BW übertragene Zuständigkeit der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen einen Notar im Landesdienst auf das Landgericht als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht mit der Regelung in § 45 Abs. 3 ZPO.
Auch in diesem Fall entscheidet das Landgericht nicht durch den Einzelrichter, sondern durch die Zivilkammer in ihrer vollen Besetzung (Vollkommer in Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 45 Rn 6 iVm Rn 1, 2 mwN; Gehrlein in MüKo, ZPO, Bd. 1, 3. Aufl. 2008, § 45 Rn 3; OLG Karlsruhe FamRZ 2006, 1555; je mwN). Dem Ablehnungsverfahren kommt Kontrollfunktion zu ("Verhaltenskontrollrechtsbehelf"), für die herkömmlich das Kollegialprinzip gilt (Vollkommer, aaO, § 45 Rn 1 mwN).
Nachdem der Einzelrichter, dem die Sache nicht einmal durch Kammerbeschluss übertragen worden war – was nach der Auffassung des Senats allerdings auch nicht zulässig gewesen wäre –, das Gesuch für unbegründet erklärt hat, ist die Entscheidung nicht durch den gesetzlichen Richter ergangen. Daher ist sie ohne weitere Prüfung als auf der Rechtsverletzung beruhend anzusehen. Eine analoge Anwendung des § 561 ZPO ist ausgeschlossen, weil der ursächliche Zusammenhang zwischen der Rechtsverletzung und der Entscheidung unwiderlegbar vermutet wird (OLG Zweibrücken FamRZ 2004, 564 mwN).
Entgegen OLG Karlsruhe (FamRZ 2006, 1555) entfällt vorliegend nicht die Notwendigkeit einer Zurückverweisung an die Zivilkammer, da diese zunächst über das wiederholt gestellte Akteneinsichtsgesuch der Antragstellerin gem. § 34 Abs. 1 FGG aF (§ 13 FamFG nF) wird entscheiden und ihr sodann – gegebenenfalls – Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme wird gewähren müssen, weswegen der Senat die Beschwerde nicht abschließend bescheiden kann.
Infolge des Verfahrens...