Leitsatz
1. Der von der Finanzbehörde des Kantons Tessin (Schweiz) nach dem Tod einer Schenkerin aufgrund der Entstehung der Schenkungsteuer zu einem späteren Zeitpunkt erlassene Schenkungsteuerbescheid ist als rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO anzusehen, sodass beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 ErbStG die tessinische Schenkungsteuer auf die deutsche Schenkungsteuer anzurechnen ist (Rnn 11, 14, 20).
2. Bei Erlass, Aufhebung oder Änderung eines ausländischen Erbschaftsteuerbescheides ist der deutsche Erbschaftsteuerbescheid nicht gem. § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG von Amts wegen zu korrigieren
FG Niedersachsen, Urteil vom 26. August 2009 – 3 K 62/07
Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein Schenkungsteuerbescheid aufgrund eines später von den Finanzbehörden des Kantons Tessin (Schweiz) erteilten Bescheides unter Anrechnung der in der Schweiz gezahlten Schenkungsteuer zu ändern ist.
Der Kläger reichte am (...) 1995 beim Beklagten (Finanzamt – FA –) eine Schenkungsteuererklärung ein. Hierauf gab er an, seine Mutter, Frau A, habe ihm in 01/1994 den Betrag von W DM und in 02/1994 einen weiteren Betrag von X DM durch Überweisung zugewandt. Frau A hatte zum Zeitpunkt der Zuwendungen ihren Wohnsitz im Kanton Tessin (Schweiz). Unter Berücksichtigung einer Vorschenkung aus dem Jahre 1986 (...) setzte das FA im Hinblick auf die erste Zuwendung mit Bescheid vom (...) 1995 (...) Schenkungsteuer in Höhe von Y DM fest. Mit weiterem Bescheid vom (...) 1995 (...) setzte das FA für die zweite Zuwendung unter Berücksichtigung von Vorschenkungen in Höhe von insgesamt (...) Schenkungsteuer in Höhe von Z DM fest.
Nachdem die Schenkerin (...) verstorben war, setzte die Finanzbehörde des Kantons Tessin mit Bescheid vom (...) 2002 Schenkungsteuer in Höhe von insgesamt (...) Schweizer Franken (SFr.) zuzüglich einer Buße wegen hinterzogenen Steuern in Höhe von (...) SFr. und Zinsen in Höhe von (...) SFr. fest. (...)
Am (...) 2004 beantragte der Kläger, die in der Schweiz gezahlte Schenkungsteuer auf die deutsche Schenkungsteuer anzurechnen, hilfsweise die deutsche Schenkungsteuer in Höhe der in der Schweiz gezahlten Steuer zu erlassen. Beim Bescheid vom (...) 2002 handele es sich um einen Grundlagenbescheid iS des § 171 Abs. 10 der Abgabenordnung (AO). Mit Bescheid vom (...) 2006 lehnte das FA die begehrte Änderung ab. Eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei wegen eingetretener Festsetzungsverjährung nicht möglich. Da der Bescheid der tessinischen Finanzbehörde keinen Grundlagenbescheid iSd § 171 Abs. 10 AO darstelle, komme auch keine Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO in Betracht. Schließlich handele es sich bei diesem Bescheid um kein rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; das FA nahm insoweit auf das rechtskräftige Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 21. August 1998 4 K 5740/94 (EFG 1998, 1605) Bezug.
Gegen den Ablehnungsbescheid legte der Kläger (...) Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsbescheiden vom (...) als unbegründet zurückwies. (...)
Der Kläger hat (...) Klage erhoben. Zur Begründung macht er geltend, dass die Voraussetzungen einer Anrechnung nach § 21 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) im Streitfall vorlägen. Einer Änderung der Schenkungsteuerbescheide stünden keine verfahrensrechtlichen Hindernisse entgegen. Der Bescheid vom (...) 2002 stelle einen Grundlagenbescheid iSd § 171 Abs. 10 AO dar und begründe ein rückwirkendes Ereignis iSd § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat Anspruch auf Herabsetzung der durch die Bescheide vom (...) 1995 festgesetzten Schenkungsteuer (§ 101 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Das FA hat eine Anrechnung der tessinischen Schenkungsteuer zu Unrecht abgelehnt.
1. Bei Erwerbern, die in einem ausländischen Staat mit ihrem Auslandsvermögen zu einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer – ausländische Steuer – herangezogen werden, ist in den Fällen des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, sofern nicht die Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden sind, auf Antrag die festgesetzte, auf den Erwerber entfallende, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Wenn der Erblasser zurzeit seines Todes kein Inländer war, gelten als Auslandsvermögen iSd § 21 Abs. 1 ErbStG alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Inlandsvermögens iSd § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG) sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG). Nach § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG ist die ausländische Steuer nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist.
Im Streitfall liegen die sich aus § 21 ErbStG ergebe...