Kap. VI des Verordnungsentwurfs sieht die Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses (certificat successoral européen) vor, das in sämtlichen Mitgliedsstaaten als Nachweis der Stellung als Erbe oder Vermächtnisnehmer bzw. der Befugnisse als Testamentsvollstrecker anzuerkennen ist. Hierin liegt eine sich aus der Verordnung in der Praxis ergebende bahnbrechende Erleichterung der Nachlassabwicklung, weil nunmehr ausschließlich in einem einzigen Mitgliedsstaat ein Nachlassverfahren durchzuführen ist und ein auf diese Weise erlangter Erbschein in der gesamten Europäischen Union ohne weiteres Verfahren die Abwicklung des Nachlasses ermöglicht.
Der Verordnungsvorschlag führt als Anh. II ein fünfseitiges Formblatt für die Ausstellung eines europäischen Nachlasszeugnisses auf. Dieses enthält Angaben zum Gericht, zum Erblasser zum Antragsteller, zu den Erben samt Quote, zu Vorbehalten bei der Erbschaftsannahme, zu solchen Nachlassgegenständen, die einem bestimmten Erben oder einem bestimmten Vermächtnisnehmer zustehen und schließlich auch zur Stellung eines Testamentsvollstreckers bzw. sonstigen Verwalters. Dabei soll das Zeugnis auch darlegen, zu welchen Handlungen der Testamentsvollstrecker berechtigt ist. Aufgrund der äußerst unterschiedlichen Ausgestaltung der Verfügungsbefugnisse von Erben und Testamentsvollstreckern in den einzelnen Rechtsordnungen muss das Nachlasszeugnis darüber hinaus auch ausführen, zu welchen Handlungen der Erbe bzw. die Erben, Vermächtnisnehmer und Testamentsvollstrecker bzw. sonstigen Verwalter nach dem auf die Erbfolge anwendbaren Recht befugt sind.
Art. 42 des Vorschlags bestimmt, dass das europäische Nachlasszeugnis weitgehend die gleichen Gutglaubenswirkungen hat wie ein Erbschein deutschen Rechts, insbesondere dass an den Inhaber des Nachlasszeugnisses befreiend geleistet werden kann, von ihm gutgläubig erworben werden kann und mit dem Nachlasszeugnis ein öffentliches Register berichtigt werden kann. Um Missbrauch zu vermeiden, enthält Art. 43 des Vorschlags eine Beschränkung dahingehend, dass die Urschrift des Nachlasszeugnisses beim Nachlassgericht verbleibt und den Beteiligten lediglich Ausfertigungen erstellt werden, die begrenzt für einen Zeitraum von drei Monaten die vorgenannten Gutglaubenswirkungen entfalten. Soweit weitere Verfügungen erforderlich sind, müssen die Erben also nach Ablauf der Dreimonatsfrist eine neue Ausfertigung beantragen. Freilich dürfte eine Einziehung bzw. europaweite Ungültigerklärung nicht auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoßen. Darüber hinaus kann man an der Geeignetheit der Maßnahme zweifeln, denn ein Zeitraum von drei Monaten dürfte wohl für eine fälschlich als Erben ausgewiesene Person ausreichend sein, um sich in den Besitz des gesamten oder zumindest wesentlichen Teils eines Nachlasses zu setzen.
Gilt der Erbschein in der gesamten Europäischen Union? Nein, einige von Unbeugsamen bewohnte Staaten hören nicht auf, der Anerkennung des Erbscheins erfolgreich Widerstand zu leisten. So ist z. B. in dem Vereinigten Königreich weiterhin die Bestellung eines Personal Representative in der Form des testamentarisch benannten Executors oder des vom Gericht ausgewählten Administrators durch den Probate Court erforderlich, bevor über dort belegenen Nachlass verfügt werden kann. Eine Erleichterung ergibt sich bei der Durchführung dieses Verfahrens allein dahingehend, dass der Probate Court dann bei der Beurteilung der Erbfolge an die Feststellungen im europäischen Nachlasszeugnis gebunden sein wird.