Leitsatz
1. Für die Frage, ob der Widerruf gegenüber einem geschäftsunfähigen Ehegatten dem gesetzlichen Vertreter zugehen muss, enthält § 2296 BGB keine Regelung. Wegen § 131 Absatz 1 BGB wird eine solche Widerrufserklärung nur dann wirksam, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht.
2. Die Vorschrift des § 51 Abs. 3 ZPO, eingefügt durch das zweite Betreuungsänderungsgesetz vom 21.4.2005, zeigt aber, dass die Gleichstellung eines Bevollmächtigten mit einem gesetzlichen Vertreter einem praktischen Bedürfnis entspricht, nämlich dann, wenn der Bevollmächtigte geeignet ist, gemäß §1896 Abs. 2 S. 2 BGB die Erforderlichkeit eines Betreuers entfallen zu lassen.
LG Leipzig, Beschluss vom 1. Oktober 2009 – 4 T 549/08
Sachverhalt
Der Beteiligte zu 1) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 22.5.2008, mit dem sein Antrag vom 22.1.2007 idF des Schreibens vom 2.2.2007 auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen wurde.
Am 24.2.2006 verstarb der Erblasser H, am 31.12.2006 seine Ehefrau K. Beide hinterließen gemeinsame Abkömmlinge, die Beteiligten zu 1) und 2). Die Beteiligte zu 2) ist geistig schwerstbehindert und steht unter Betreuung. Betreuer ist der Beteiligte zu 1, Betreuer mit dem Aufgabenkreis "Erbschaftsteuerangelegenheiten" ist Rechtsanwalt R. Mit notarieller Urkunde vom 16.10.1996 erteilte K. ihrem Ehemann (dem Erblasser) sowie ihrem Sohn [dem Beteiligten zu 1]) eine Generalvollmacht, die durch ihren Tod nicht erlöschen sollte. Der Beteiligte zu 1) und der Erblasser hatten jeweils das Recht zur alleinigen Vertretung. Insbesondere ist in der Vollmacht geregelt:
Zitat
"Die Bevollmächtigten haben insbesondere das Recht, in meinem Namen Erklärungen aller Art vor Gerichten und Behörden sowie gegenüber juristischen und natürlichen Person abzugeben und solche Erklärungen für mich entgegenzunehmen."
(...) Am 9.3.1998 errichteten der Erblasser und seine Ehefrau ein privatschriftliches Ehegattentestament, wonach sich beide gegenseitig zu alleinigen Erben, ihren Sohn zu 3/4 als "Enderbe" und ihre Tochter zu 1/4 als befreite Vorerbin einsetzten. Den Nachlass zugunsten der Tochter sowie ein Geldvermächtnis in Höhe des gesetzlichen Erbteils stellten die Eheleute unter Dauertestamentsvollstreckung, womit ihr Sohn betraut werden sollte. (...)
Am 15.6.2000 wurde für die Ehefrau des Erblassers, die an Alzheimer erkrankt war, Betreuung angeordnet. Am 19.7.2004 widerrief der Erblasser zu notarieller Urkunde des Notars in Leipzig das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 9.3.1998. Am 25.7.2004 errichtete der Erblasser eine privatschriftliche letztwillige Verfügung von Todes wegen. Danach bestimmte er, weil er seine Ehefrau als versorgt ansah, seine Tochter als befreite Vorerbin zu 27 % und seinen Sohn zum Erben zu 73 % des Nachlasses. Nacherbe des Nachlassanteils der Tochter sollte ebenso der Sohn sein.
Mit notarieller Urkunde vom 2.8.2004 wurde dem Beteiligten zu 1) als Generalsbevollmächtigtem für die Ehefrau des Erblassers der Testamentswiderruf Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 19.7.2004 zugestellt.
Der am 19.7.2004 erklärte Widerruf des Erblassers lautet nach Ziff. II wie folgt:
Zitat
"Ich widerrufe meine Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament vom 9.3.1998 gemäß § 2271 BGB nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschriften des § 2296 BGB. Der Widerruf soll sich auf alle meine dort getroffenen testamentarischen Verfügungen, also die wechselbezüglichen und die einseitigen, erstrecken."
Nach Ziff. III der notariellen Erklärung war zunächst vorgesehen, dass für die Entgegennahme der Widerrufserklärung durch das Vormundschaftsgericht ein (weiterer) Betreuer/Pfleger zu bestellen ist.
Das Vormundschaftsgericht hat mit Schreiben vom 29.7.2004 die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers zur Entgegennahme des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments abgelehnt. Hintergrund der Ablehnung ist nach dem Schreiben, dass das Vormundschaftsgericht Kenntnis von der notariellen Generalvollmacht vom 16.10.1996 erlangt hatte. Es hat für die Einsetzung eines Ergänzungsbetreuers keine Notwendigkeit mehr gesehen.
Der Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, dass mit der am 2.8.2004 erfolgten Entgegennahme des Testamentswiderrufs des Erblassers die Widerrufserklärung wirksam geworden sei. Die Erbfolge richte sich daher nach dem vom Erblasser am 25.7.2004 privatschriftlich errichteten Testament. Der Beteiligte zu 1) hat beantragt, ihm einen Erbschein folgenden Inhalts zu erteilen:
Zitat
"Es wird bezeugt, dass der am ... in Leipzig verstorbene H, geboren am ..., zuletzt wohnhaft in ... von "
1. seinem Sohn zu 73/100
2. seiner Tochter und 27/100
beerbt wurde.
Die Tochter ... ist nur befreite Vorerbin. Für die Vorerbin ist Dauertestamentsvollstreckung angeordnet.
Nacherbe ist der Sohn .... Der Nacherbfall tritt mit dem Tod der Vorerben ein. Das Nacherbrecht ist vererblich.“
Das Amtsgericht hat ein fachärztliches Sachverständigengutachten (...) beigezogen. Das Gutachten schließt mit der Feststellung, dass die K am 16.10...