Der Nachlassinsolvenzverwalter wird als außenstehender Dritter mit der Aufgabe konfrontiert, den Nachlass eines ihm unbekannten Verstorbenen in Besitz zu nehmen und ordnungsgemäß zu verwalten. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung gehört es auch, die Masse soweit wie möglich zu mehren, z. B. durch die Insolvenzanfechtung, insbesondere die Anfechtung unentgeltlicher Leistungen gemäß § 134 InsO. Hierzu muss er sich Informationen beschaffen. Dabei liegt es nahe, vom Versicherungsunternehmen Auskunft zu bestehenden Bezugsrechten sowie zur Höhe der Versicherungssumme und deren Auszahlung zu verlangen.

1. Ausgangslage

Zwar geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 80 InsO vom Erben auf den Nachlassinsolvenzverwalter über. Diese Befugnis bezieht sich auf den Nachlass als "Insolvenzmasse" im Sinne dieser Vorschrift. Wie bereits dargestellt, wird die Versicherungssumme jedoch nicht als Bestandteil des Nachlasses angesehen. Aus diesem Grund ließe sich einwenden, dass der Nachlassinsolvenzverwalter zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Versicherungsverhältnis nicht aktivlegitimiert sei.

2. Auskunft zu Bezugsrechten

2.1 Dieser Argumentation ist das OLG Saarbrücken[19] entgegengetreten. Der Insolvenzwerwalter hat Anspruch auf Auskunft zu bestehenden Bezugsrechten. Dieser ist aus § 3 Abs. 3 Satz 1 VVG aF[20] herzuleiten. Die Bestimmung von Bezugsrechten gilt als vertragsbezogene Erklärung im Sinne dieser Vorschrift. Folglich kann der Versicherungsnehmer jederzeit Abschriften seiner eigenen Erklärung fordern. A maiore ad minus folgt daraus ein Auskunftsanspruch, der vererblich ist und von den Erben des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden kann.[21] Der Anspruch ist als Nachlassgegenstand Bestandteil der Insolvenzmasse und kann deshalb vom Nachlassinsolvenzverwalter geltend gemacht werden.

2.2 Im Hinblick darauf, dass es für die Berechnung der Anfechtungsfristen – im maßgeblichen Kontext vor allem nach § 134 InsO – auf den Leistungszeitpunkt ankommt, kann sich der Anspruch nicht nur auf die Auskunft zur Person des Bezugsberechtigten beziehen. Vielmehr muss sie sich auf die Frage der Widerruflichkeit erstrecken. Denn im Falle der widerruflichen Einräumung eines Bezugsrechts erfolgt die Leistung erst mit Eintritt des Versicherungsfalls, also mit dem Tod.[22]

[19] ZEV 2010, 420, die Revision wurde zugelassen.
[20] Dem entspricht seit 1.1.2008 der § 3 Abs. 4 Satz 1 VVG nF.
[21] Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, § 3 Rn 9.
[22] Gebert, NZI 2010, 647; Herrler, ZEV 2010, 333, 337 mwN.

3. Auskunft zur Auszahlung des Guthabens

Darüber hinaus ist dem Insolvenzverwalter ein Auskunftsanspruch zum Zeitpunkt und zur Höhe der ausbezahlten Versicherungssumme zuzubilligen.

3.1 Das OLG Saarbrücken stützt den Anspruch auf § 666 BGB. Als Grundlage dafür sieht es Elemente einer Geschäftsbesorgung im Sinne von § 675 Abs. 1 BGB im Versicherungsvertragsverhältnis. Dieser Ansatz überzeugt nicht restlos, denn es fehlt am Tatbestandsmerkmal der Entgeltlichkeit der Geschäftsbesorgung. Zwar erbringt das Versicherungsunternehmen entgeltliche Leistungen an den Versicherungsnehmer. Beim Lebensversicherungsvertrag hat der Versicherungsnehmer die laufende Prämie und der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalls die versprochene Leistung zu erbringen.[23] Die Entgeltlichkeit bezieht sich aber nicht auf die Entgegennahme der Erklärung über das Bezugsrecht. Sie ist eine kostenfreie Zusatzleistung.

3.2 Richtigerweise wird man den Auskunftsanspruch wie die Vorinstanz[24] aus § 242 BGB herzuleiten haben. Schon das Reichsgericht hat eine Generalklausel für einen aus Treu und Glauben herleitbaren allgemeinen Auskunftsanspruch entwickelt: In Fällen, in denen ein Recht auf Auskunft gegenüber dem Verpflichteten die Rechtsverfolgung in hohem Maße erleichtert, oft überhaupt erst möglich macht, ist – auch abgesehen von der Geschäftsführung ohne Auftrag – nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dem Berechtigten ein Anspruch auf Auskunft bei Rechtsverhältnissen zu gewähren, deren Wesen es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage ist, unschwer eine solche Auskunft zu erteilen.[25] Der Bundesgerichtshof hat diese Formel übernommen.[26] Generell besteht eine Auskunftsverpflichtung nach § 242 BGB im Einzelfall, wenn der potenziell Berechtigte

entschuldbar über Umfang oder über Bestehen eines Anspruchs im Ungewissen ist,
er selbst unzumutbare Informationsbeschaffungsprobleme hat,
dagegen der Verpflichtete zur Informationsbeschaffung ohne unbillige Belastung in der Lage ist.[27]

In dieser Position befindet sich auch der Nachlassinsolvenzverwalter.

3.3 Um dem Gebot des schnellen Handelns gerecht zu werden, sollte der Insolvenzverwalter die Aufforderung zur Auskunft vorsorglich mit der Weisung an die Versicherung verknüpfen, dem Bezugsberechtigten das Schenkungsangebot des Erblassers nicht zu übermitteln.

[23] Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. 2010, vor § 150 Rn 1.
[25] RG...

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