Für den Alleinerben gilt die Nachlassinsolvenz als das sicherste Mittel der Haftungsbeschränkung. Der Antrag, für den es keine Ausschlussfrist gibt, setzt voraus, dass der Nachlass, aus welchen Gründen auch immer, überschuldet oder zahlungsunfähig ist (§§ 17, 18 InsO). Diese Gründe müssen vorliegen im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung, nicht etwa des Erbfalls, und zwar auf der Basis der aktuellen Veräußerungswerte.
Zwischen Erbfall und Nachlassinsolvenz kann erhebliche Zeit vergehen, in der der Alleinerbe mit dem ererbten Vermögen nach Belieben verfahren darf und wesentliche Teile des Nachlasses verbraucht und damit den Nachlasswert verringert haben kann. Er bestimmt, welche Verbindlichkeiten er in welcher Reihenfolge erfüllt; Nachlassgläubiger, die der Erbe vor Insolvenzeröffnung gutgläubig befriedigt hat, sind von der Insolvenz nicht betroffen, Verfügungen zu ihren Gunsten haben Bestand. Die Gläubiger, die sich erst später melden, müssen es gegen sich gelten lassen, wenn der Erbe Nachlassverbindlichkeiten getilgt hat, solange er annehmen konnte, dass der Nachlass ausreicht (§ 1979 BGB). Der Erbe kann nur schadensersatzpflichtig werden, wenn er Nachlassverbindlichkeiten trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Überschuldung tilgt (§ 1980 Abs. 2 S. 1 BGB), wobei Zweifel an der Zugänglichkeit des Nachlasses nicht genügen, der Erbe muss vielmehr Tatsachen kennen, die eine Überschuldung nahe legen.
Damit ist klar, dass der Erbe die Überschuldung des Nachlasses herbeiführen kann, indem er Nachlassgegenstände für seine Zwecke nutzt. Allerdings können daraus Ersatzansprüche des Nachlasses gegen den Erben entstehen, sodass der Nachlass möglicherweise gar nicht überschuldet oder dürftig ist. Wie der Insolvenzverwalter oder gar der Gläubiger diese Einzelheiten erkennen soll, steht auf einem anderen Blatt.
Davon unabhängig ist es Sache des Insolvenzverwalters, den Nachlass, der rückwirkend als vom Vermögen des Erben abgesondert gilt (§ 1976), zu rekonstruieren. Nachlassgegenstände, die der Erbe dem eigenen Vermögen einverleibt hat, muss er auf Verlangen herausgeben, Schenkungen kann der Insolvenzverwalter anfechten (§ 134 InsO), auch Pflichtteile sowie erfüllte Vermächtnisse und Auflagen sind zurückzufordern. Der Erbe ist zur Auskunft verpflichtet (§ 666 BGB). Für verbrauchte Sachen muss er Ersatz leisten durch entsprechende Anwendung des § 2041.
Im Fall 1 liegt bei S auch angesichts der Forderung des spät aufgetauchten Gläubigers zum Zeitpunkt des Gesprächs weder Überschuldung des Nachlasses noch Zahlungsunfähigkeit vor.
Fall 2: Wie Fall 1, aber mit der Maßgabe, dass der Erblasser sein Vermögen in ein Aktiendepot investiert hatte. Dieses Depot im Wert von 50.000 EUR zum Zeitpunkt des Erbfalls ist ohne Zutun des S nunmehr nur noch 20.000 EUR wert.
Unter diesen Voraussetzungen ist der Nachlass überschuldet, weil das Aktivvermögen zu dem Zeitpunkt, in dem L ihre Forderung geltend macht, die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (§ 19 Abs. 2 S. 1 InsO). Der Nachlass ist auch zahlungsunfähig, weil A nicht in der Lage ist, die Forderung des Gläubigers aus dem noch vorhandenen Nachlass zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 S. 1 InsO).
Fall 3: Wie Fall 1, aber mit der Maßgabe, dass S die verbliebenen Ersparnisse des Erblassers in Finanzgeschäfte investiert hat, aus denen ihm nur noch 10.000 EUR verblieben sind.
Der Nachlass ist überschuldet. Die Verfügungen des S haben Bestand und können weder von einem Insolvenzverwalter noch von den Gläubigern korrigiert werden. Der Insolvenzverwalter wird allerdings prüfen, ob Schadensersatzansprüche gegen S (§ 1978 Abs. 1 S. 2 BGB) gegeben sind.