Einführung
Die Ausschlagung der Erbschaft (§§ 1942 ff) ist schnell erklärt. Wer ausgeschlagen hat, muss sich um den Nachlass nicht mehr kümmern, hat aber auch jeden Einfluss auf die Abwicklung des Erbfalls verloren. Bisweilen wird deshalb die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass als das flexiblere Recht angesehen, das das Andenken an den Erblasser schont und das Staatserbrecht vermeidet. Andererseits gilt die Haftung des Erben für Verbindlichkeiten des Erblassers als ungewöhnlich kompliziert. Die seit Einführung des BGB nahezu unveränderte Regelung wirkt wie ein abstraktes juristisches Meisterstück, das an den Bedürfnissen der Praxis vorbeigeht, sodass die Gläubiger beim Tod des Schuldners in vielen Fällen darauf verzichten, ihren Anspruch, soweit er nicht dinglich gesichert ist, weiter zu verfolgen. Ein allzu kompliziertes Gesetz wird von der Praxis nicht angenommen. Für den Berater liegt in der Haftung des Erben mit seinem Eigenvermögen eine "Haftungsfalle".
A. Haftung des Alleinerben
Fall 1: Sohn S ist Alleinerbe des verwitweten Erblassers E. Nachdem S die ihm bekannten Verbindlichkeiten des E erfüllt hat, verbleibt ihm ein Sparkonto über 50.000 EUR. Zwei Jahre nach dem Erbfall legt die Lebensgefährtin L des E eine notarielle Urkunde vor, worin E bekennt, der L 30.000 EUR zu schulden und in der er sich wegen dieser Forderung der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterwirft. S schaltet erstmals einen Rechtsanwalt ein und fragt, ob er die Forderung begleichen muss.
Der Erbe tritt in alle Rechtspositionen des Erblassers ein und wird deshalb Schuldner von dessen Verbindlichkeiten, zu denen auch Pflichtteile, Vermächtnisse und Auflagen gehören. Mit der Annahme der Erbschaft vereinigt sich der Nachlass mit dem Vermögen des Erben, wodurch sich die Lage der Gläubiger des Erblassers wie des Alleinerben ohne ihr Zutun grundlegend ändert. Die Nachlassgläubiger haben nunmehr Zugriff auf das Eigenvermögen des Alleinerben wie andererseits auch die Eigengläubiger des Erben in den Nachlass vollstrecken können. Auf diese Weise kann sich der Nachlassgläubiger bei einem gut situierten Erben durch den Tod des Schuldners besser als zuvor stehen; bei einem wirtschaftlich schwachen Erben muss er dagegen die Konkurrenz der Gläubiger des Erben fürchten, was den Erben übrigens verpflichten kann, seine Eigengläubiger vom Nachlass fernzuhalten.
Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen die Fragen der Forderungsbefriedigung möglichst aus dem jeweiligen Vermögen (Nachlass, Eigenvermögen des Erben) beantwortet werden; deshalb soll den Gläubigern des Erblassers allein der Nachlass zur Befriedigung zur Verfügung stehen, so wie andererseits ausschließlich das Vermögen, das der Erbe vor dem Erbfall besaß, dem Zugriff seiner Gläubiger (Eigengläubiger) unterliegt. Um dieses Ziel zu erreichen, müsste der Nachlass stets dauerhaft vom Eigenvermögen des Erben getrennt werden, was nur möglich wäre durch eine in allen Fällen vorgeschriebene "amtliche Nachlassabwicklung". Dazu hätte ein vom Gericht bestimmter Verwalter aufzunehmen, was zum Zeitpunkt des Todes zum Nachlass gehörte, er müsste die Gläubiger auffordern, ihre Ansprüche anzumelden, und für ihre Befriedigung aus dem Nachlass sorgen. Das für jeden Todesfall anzuordnen, wäre eine aufwendige Methode. Der BGB-Gesetzgeber zum Ausgang des 19. Jahrhunderts ist einen anderen Weg gegangen: Nachlass und Eigenvermögen verschmelzen ununterscheidbar, soweit nicht einer der Beteiligten, Erbe oder Gläubiger, eine Trennung herbeiführt. Deshalb kann der Erbe seine Haftung auf den Nachlass beschränken. Die Haftungsbeschränkung tr...