Die Maßgeblichkeit der letzten juristischen Sekunde vor dem Tod des Erblassers – und nicht etwa der juristischen Sekunde des Erbfalls – ergibt sich aus folgender Überlegung:
a) Eine juristische – oder logische – Sekunde ist ein Zeitpunkt – ein atomarer, nicht mehr teilbarer Ausschnitt aus der Zeitleiste –, nicht etwa eine Zeitspanne. Sie lässt daher nur eine statische "Augenblicksaufnahme" der rechtlichen Gegebenheiten zu. Das "Erlöschen" oder der "Untergang" eines Rechts ist dagegen ein dynamischer Vorgang, der die Beobachtung zu mindestens zwei Zeitpunkten erfordert: Die juristische Sekunde, in der das Recht noch existiert, und die sich anschließende juristische Sekunde, in der das Recht nicht mehr existiert. Aus dieser Veränderung der Gegebenheiten von einer juristischen Sekunde auf die nächste kann man auf den Untergang – oder auf das Entstehen oder den Übergang – eines Rechts schließen.
b) Die Ansprüche des Versicherungsnehmer-Erblassers (Entreicherungsgegenstand) können daher nicht "in" einer juristischen Sekunde erlöschen, sondern nur von einer juristischen Sekunde auf die nächste, hier also von der letzten juristischen Sekunde vor dem Tod auf die juristische Sekunde des Erbfalls. In der juristischen Sekunde des Erbfalls existieren die Ansprüche des Versicherungsnehmer-Erblassers nicht mehr und können daher auch keinen Wert mehr haben. Gegenläufig entsteht der Anspruch des Begünstigten (Bereicherungsgegenstand) von der letzten juristischen Sekunde vor dem Tod auf die juristische Sekunde des Erbfalls. Beide Ansprüche können denknotwendig nie in derselben juristischen Sekunde existieren, andererseits gibt es keine juristische Sekunde, in der keiner der beiden Ansprüche besteht. Dies spiegelt das Wesen der hier vorliegenden mittelbaren Zuwendung wider, bei der der Erblasser seine Ansprüche preisgibt, damit die Ansprüche des Bezugsberechtigten entstehen.
c) Insofern unterscheidet sich die hier vorliegende Zuwendung vom Normalfall der Schenkung, von dem auch § 2325 BGB ausgeht und bei dem der Schenkungsgegenstand sich zunächst im Vermögen des Schenkers befindet und anschließend im Vermögen des Beschenkten fortbesteht. Entreicherungsgegenstand und Bereicherungsgegenstand sind also identisch. Die hier vorliegende Zuwendung unterscheidet sich aber auch von den Fällen der mittelbaren Zuwendung, in denen der Schenker einem Dritten einen Geldbetrag (Entreicherungsgegenstand) zahlt, damit der Dritte dem Beschenkten eine Sache (Bereicherungsgegenstand) zukommen lässt. Im letzteren Fall existieren der Entreicherungsgegenstand wie der Bereicherungsgegenstand sowohl vor als auch nach dem Rechtsgeschäft, sie sind nur unterschiedlichen Vermögensträgern zugeordnet.
d) Soll nun § 2325 BGB – was vom Grundsatz her unstreitig ist – auch auf Zuwendungen der hier vorliegenden Art angewendet werden, müssen deren Besonderheit bei der Anwendung berücksichtigt werden. Dabei geht auch der Bundesgerichtshof davon aus, dass nach § 2325 Abs. 2 BGB die juristische Sekunde des Erbfalls für die Bewertung entscheidend ist: "Entscheidend bleibt das Zugewendete, soweit es auf dem Aufgewendeten beruht." Dies bedeutet nichts anderes als die Geltung des Kausalitätserfordernisses: Der Pflichtteilsergänzungsanspruch besteht nur insoweit, als der Empfänger aus dem Vermögen des Gebers bereichert ist. Dieser Grundsatz wirkt in zwei Richtungen: Der Pflichtteilsberechtigte hat kein Teilhaberecht, – einerseits – soweit das Empfangene (der Bereicherungsgegenstand) nicht auf dem Vermögensabfluss (dem Entreicherungsgegenstand) beruht und – andererseits – soweit der Vermögensabfluss nicht zu einer Bereicherung des Begünstigten geführt hat. Der Wert des Entreicherungsgegenstands ist deswegen schlicht mit dem Wert des Bereicherungsgegenstands zu vergleichen. Entscheidend ist immer der niedrigere Wert.
e) Bei der hier vorliegenden Form der mittelbaren Zuwendung ist anzuerkennen, dass der Wert des Entreicherungsgegenstands in den Wert des Bereicherungsgegenstands eingeflossen ist. Um herauszufinden, in welchem Umfang er eingeflossen ist, vergleicht der Bundesgerichtshof seinen Wert in der letzten juristischen Sekunde seiner Existenz mit dem Wert des Bereicherungsgegenstands im Zeitpunkt des Erbfalls. Eine Abweichung von § 2325 Abs. 2 BGB liegt daher in Wahrheit nicht vor. Für den Pflichtteilsergänzungsanspruch wird der Teil des Bereicherungsgegenstands (dem Anspruch auf die Versicherungsleistung) im Zeitpunkt des Erbfalls herangezogen, der auf der Aufgabe der Ansprüche des Erblassers (Entreicherungsgegenstand) beruht. Auf die letzte juristische Sekunde vor dem Erbfall wird lediglich zu dem Zeck abgestellt, um diesen Teil berechnen zu können.
Soweit hierbei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vorgenommen wird, ist dies deswegen unvermeidlich, weil nur eine wirtschaftliche Betrachtungsweise den Verlust der Ansprüche des Erblassers einerseits und die Entstehung des Anspruchs des Begünstigten andererseits zu einer einheitlichen Zuwendung iSd § 516 B...