a) Ursprüngliche oder nachträgliche Bezugsrechtseinräumung
Unerheblich dürfte nach der neuen Rechtsprechung sein, ob die Bezugsberechtigung bereits bei Vertragsschluss oder erst nachträglich erfolgt. Auch wenn eine widerrufliche Bezugsrechtsbestimmung bereits bei Vertragsschluss getroffen wird, so entfaltet sie – da sie aufschiebend bedingt ist – zunächst noch keine Rechtswirkungen. Der Vertrag besteht als normaler Vertrag zugunsten seiner Parteien, also insbesondere des Erblassers. Erst bei Eintritt des Versicherungsfalls, wenn die aufschiebende Bedingung eintritt, wird er in einen Vertrag zugunsten Dritter umgewandelt.
Wird eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung bereits bei Vertragsschluss vereinbart, so dürfte der Wert der ursprünglich aufgegebenen und zugewendeten Rechte gegen Null tendieren, weshalb sich die Frage, inwieweit anschließend gezahlte Prämien für die Berechnung des Ergänzungspflichtteils heranzuziehen sind (oben unter III 2 a cc (2)), mit umso größerer Bedeutung stellen wird.
b) Teilung und Rangverhältnisse von Bezugsrechten
Neben einer Spaltung der Bezugsrechte (ein Bezugsberechtigter für den Erlebens-, ein anderer für den Todesfall) kann auch eine Teilung der Bezugsrechte (das Bezugsrecht für einen Versicherungsfall steht bis zu einem bestimmten Betrag oder in Höhe einer bestimmten Quote dem einen, im Übrigen einem anderen Bezugsberechtigten zu) vorliegen. Auch können Bezugsrechtsbestimmungen so getroffen werden, dass sie in einem Rangverhältnis hintereinander Wirkung entfalten sollen. Dies kann zu einer Potenzierung der zu lösenden Fallkonstellationen führen, wenn gespaltene Bezugsrechte noch geteilt oder mehrere Bestimmungen rangmäßig gestaffelt werden.
aa) Besonders bedeutsamen erscheinen in diesem Zusammenhang die Fälle, in denen ein Bezugsrecht zwischen einem Dritten und dem Erblasser selbst aufgeteilt ist (im letzteren Fall also kein Bezugsberechtigter bestimmt ist). Dies kommt etwa dann vor, wenn der Erblasser seine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung abgetreten hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dann davon auszugehen, dass der Erblasser die Bezugsrechtsbestimmung eines Dritten nur insoweit widerrufen hat, als das Bezugsrecht im Rang hinter das Recht des Sicherungsnehmers treten soll, soweit die Versicherungsleistung im Sicherungsfall für die Befriedigung des Sicherungsgebers benötigt wird. Soweit zur Tilgung verwendet, fällt die Versicherungsleistung in den Nachlass und wiegt – für die Berechnung des Pflichtteilsanspruchs – die in entsprechender Höhe bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Sicherungsnehmer auf. Im Übrigen – also in Höhe des Verwertungsüberschusses – steht der Anspruch auf die Versicherungsleistung dem Bezugsberechtigten zu.
Für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs stellt sich dabei die Frage, inwieweit der dem Bezugsberechtigten entstandene Anspruch auf der Rechtsposition beruht, um die der Erblasser durch die Bezugsrechtseinräumung entreichert ist. Denn an die Stelle der vor dem Eintritt des Todes bestehenden Rechte treten jetzt sowohl der originäre Anspruch des Bezugsberechtigten auf den Verwertungsüberschuss als auch der wirtschaftlich dem Nachlass zuzurechnende Anspruch auf die Versicherungsleistung in der Höhe, in der diese zur Befriedigung des Sicherungsnehmers benötigt wird.
In Betracht kommen daher insbesondere drei Lösungsansätze:
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Der Wert der aufgegebenen Ansprüche des Erblassers (Entreicherungsgegenstand) ist zunächst dem Anspruch zuzurechnen, der wirtschaftlich in den Nachlass gefallen ist. Dann kann ein Ergänzungspflichtteil nur aus dem Betrag errechnet werden, um den der Wert des Entreicherungsgegenstands den Betrag übersteigt, der für die Schuldentilgung herangezogen werden musste. |
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Der Wert der aufgegebenen Ansprüche des Erblassers (Entreicherungsgegenstand) ist zunächst dem Anspruch des Begünstigten auf den Verwertungsüberschuss zuzurechnen. Dann kann ein Ergänzungspflichtteil ganz im Sinne der neuen Rechtsprechung aus dem Wert der Ansprüche des Versicherungsnehmer-Erblassers in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens berechnet werden, begrenzt allerdings durch den dem Begünstigten tatsächlich zugeflossenen Betrag. |
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Der Wert des Entreicherungsgegenstands ist quotal nach dem Verhältnis zwischen dem dem Sicherungsgeber einerseits und dem dem Begünstigten andererseits zugeflossenen Betrag aufzuteilen. Der Pflichtteilsergänzungsanspruch wäre dann nach dem Anteil des Bezugsberechtigten am Wert der weggefallenen Vermögensposition zu berechnen. |
Da der dem Sicherungsgeber zufließende Wert wirtschaftlich voll dem Nachlass zugute kommt, indem er Nachlassverbindlichkeiten ausgleicht, und sich daher bereits bei der Berechnung des Pflichtteilsanspruchs nach § 2303 BGB erhöhend auswirkt, scheint näher zu liegen, nach der ersten Lösungsmöglichkeit vorzugehen.
bb) Ist das Bezugsrecht zwischen zwei unterschiedlichen Dritten geteilt, stellt sich die hier aufgeworfene Frage erst im Rahmen des Anspruchs aus § 2329 BGB, da es – weil sich der Anspruch nach § 2325 BGB gegen den Erben richtet – für dessen Berechnung...