Hier handelt es sich um Fallgestaltungen, in denen bei gemischten Lebensversicherungen hinsichtlich des einen Versicherungsfalls (im Beispiel der Todesfall) ein Bezugsberechtigter widerruflich und hinsichtlich des anderen Versicherungsfalls (im Beispiel dem Erlebensfall) ein anderer Bezugsberechtigter unwiderruflich bestimmt wird ("gespaltenes Bezugsrecht"). Tritt dann der eine Versicherungsfall (im Beispiel der Todesfall) ein, hat der Versicherungsnehmer-Erblasser bereits durch die unwiderrufliche Bezugsrechtsbestimmung hinsichtlich des anderen, nicht eintretenden Versicherungsfalls (im Beispiel der Erlebensfall) sowohl den bedingten Anspruch auf die betreffende Versicherungsleistung (im Beispiel die Erlebensfallleistung) als regelmäßig auch den Anspruch auf den Rückkaufswert weggegeben. In der letzten juristischen Sekunde vor seinem Tod stand ihm daher nur noch der bedingte Anspruch auf die Todesfallleistung zu, weshalb er bei Eintritt des Todes auch nur noch um diesen entreichert werden konnte. Spiegelbildlich tritt dasselbe Problem auf, wenn der Versicherungsnehmer-Erblasser für den Todesfall ein Bezugsrecht unwiderruflich bestimmt hat, jedoch der Erlebensfall eintritt, für den eine widerrufliche Bezugsrechtsbestimmung bestand.
Die neue Rechtsprechung fordert nun, dass für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs allein auf den bedingten Anspruch auf die Versicherungsleistung für den eintretenden Versicherungsfall abgestellt werden muss, hinsichtlich dessen nur eine widerrufliche Einsetzung bestand und der deshalb dem Erblasser in der letzten juristischen Sekunde seines Lebens verblieben war. Zweifelhaft ist, inwieweit bei der Bewertung des verbliebenen Anspruchs noch auf den Rückkaufswert als Mindestwert abgestellt werden kann, obwohl der Anspruch auf den Rückkaufwert dem Erblasser nicht mehr zustand.
aa) Oben (unter III 2 a) wurde versucht, Leitlinien zu finden, nach denen der Wert der Rechtspositionen bestimmt werden kann, die bereits zu Lebzeiten des Versicherungsnehmer-Erblassers vom unwiderruflich Begünstigten erworben werden, wenn der diesen begünstigende Versicherungsfall später tatsächlich eintritt. Wenn die vom unwiderruflich Begünstigten erworbenen Rechtspositionen aber bereits vor Eintritt des Versicherungsfalls einen Wert hatten, so könnte der Wert der dem Versicherungsnehmer-Erblasser verbliebenen Ansprüche entsprechend herabzusetzen sein.
bb) Andererseits steht mit Eintritt des einen Versicherungsfalls (im Beispiel der Todesfall) fest, dass dem unwiderruflich für den anderen Versicherungsfall (im Beispiel der Erlebensfall) Bezugsberechtigten, obwohl er bereits zu Lebzeiten des Erblassers einen Anspruch auf die Versicherungsleistung erworben hat und ihm auch bereits der Rückkaufswert zustand, im Ergebnis keine Leistung des Versicherers zufließen wird.
cc) Ein Lösungsansatz könnte sich aus einer Entscheidung des XII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ergeben. Dort waren im Rahmen des Zugewinnausgleichs die Vermögenspositionen der beiden Ehegatten zu bewerten, von denen einer eine gemischte Lebensversicherung abgeschlossen und den anderen für den Todesfall unwiderruflich zum Bezugsberechtigten bestimmt hatte, weshalb diesem auch der Anspruch auf den Rückkaufswert zustand. Dem Versicherungsnehmer stand dementsprechend nur noch der bedingte Anspruch auf die Erlebensfallleistung zu. Der XII. Zivilsenat hat dazu ausgeführt, dass der Rechtsposition des Versicherungsnehmers nicht schon deshalb jeder Wert abgesprochen werden könne, weil die Vermögensrechte aus der Versicherung nicht mehr seiner Verfügung unterliegen und er insbesondere kein Recht auf den Rückkaufswert mehr hat. Vielmehr sei der Wert der beiderseitigen Anrechte aus der Versicherung unter Berücksichtung der verbleibenden Unsicherheiten, insbesondere der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der jeweiligen Bedingungen, tatrichterlich zu schätzen.
Bei einer solchen Schätzung wäre zu beachten, dass der unwiderruflich eingesetzte Bezugsberechtigte seine Ansprüche zwar bereits erworben hat, diese jedoch aufschiebend bedingt sind und daher noch – bei Ausfall der Bedingungen – untergehen können. Auch den Anspruch auf den Rückkaufswert kann der Bezugsberechtigte während der Laufzeit des Versicherungsvertrags nicht realisieren, weil das Kündigungsrecht in der Regel beim Erblasser verbleibt. Dies verschafft dem Erblasser zwar keinen zusätzlichen Anspruch, der als solcher einen weiteren Wert haben könnte. Es führt jedoch zu einer nicht unerheblichen Entwertung der Rechte des unwiderruflich auf den Erlebensfall Bezugsberechtigten, die es rechtfertigt, spiegelbildlich den beim Erblasser verbliebenen Anspruch entsprechend höher zu bewerten. Zwar darf bei der Bewertung des dem Erblasser verbliebenen Anspruchs nicht das erst nachträglich erworbene Wissen verwendet werden, dass der Erblasser zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich verstorben ist. Die Sichtweise des XII. Zivilsenats eröffnet jedoch gleichwohl die Möglichkeit,...