Interessant wird sei, wie sich die neue Rechtsprechung auf andere Fallgestaltungen übertragen lässt, in denen nicht nur widerruflich ein Bezugsberechtigter für die Todesfallleistung bestimmt ist, sondern andere Formen der Bezugsrechtsbestimmungen – etwa unwiderrufliche, gespaltene oder geteilte Bezugsrechtsbestimmungen – oder eine Kombination aus diesen vorliegt. Auch in diesen Fällen muss nach der Argumentationslinie des IV. Zivilsenats entscheidend sein, zu welchem Zeitpunkt der Versicherungsnehmer-Erblasser um welche Ansprüche entreichert wird. Bei einer widerruflichen Bezugsrechtsbestimmung tritt die Entreicherung – wie oben unter II 2 b gezeigt – erst von der letzten juristischen Sekunde des Lebens auf die juristische Sekunde des Eintritts des Todes ein. Maßgeblich sind daher die Rechte, die in der letzten juristischen Sekunde noch im Vermögen des Versicherungsnehmer-Erblassers vorhanden waren. Gibt der Erblasser dagegen schon zu einem früheren Zeitpunkt Rechtspositionen aus dem Lebensversicherungsvertrag auf, um einem Dritten etwas zuzuwenden, so findet die Entreicherung bereits zu diesem früheren Zeitpunkt statt. Konsequenterweise muss daher deren Wert auch zu diesem Zeitpunkt entscheidend sein. Wendet der Versicherungsnehmer-Erblasser zu mehreren Zeitpunkten unterschiedliche Vermögenspositionen auf, müssen deren Werte zusammengezählt werden, gegebenenfalls unter vorheriger Herabsetzung nach § 2325 Abs. 3 BGB.
Je nach Art des Versicherungsvertrags und den vom Versicherungsnehmer-Erblasser getroffenen Verfügungen lassen sich die unterschiedlichsten Fallgestaltungen konstruieren. Dies gilt schon für den in der Praxis häufigen Fall einer gemischten Lebensversicherung, bei der zwei Versicherungsfälle vereinbart werden, die sich gegenseitig ausschließen, nämlich der Todesfall (Tod des Erblassers während der Vertragslaufzeit) und der Erlebensfall (Erleben des vereinbarten Ablaufdatums durch den Erblasser). Der Versicherungsnehmer-Erblasser kann für jeden der beiden Versicherungsfälle eine Bezugsrechtsbestimmung widerruflich, unwiderruflich oder gar nicht treffen, weshalb sich zumindest 32, also neun Gestaltungsmöglichkeiten ergeben. In jeder dieser Konstellationen kann nun entweder der Todes- oder der Erlebensfall eintreten, wodurch bereits in dieser beschränkten Ausgangslage 18 unterschiedliche Fälle betrachtet werden müssen.
Grafisch lassen sich die Kombinationsmöglichkeiten wie in der nachfolgenden Matrix ersichtlich darstellen. Hierbei steht jeweils E für Erlebensfall und T für Todesfall sowie k für keine, w für eine widerrufliche und u für eine unwiderrufliche Bezugsrechtsbestimmung. Der nicht eintretende Versicherungsfall ist jeweils eckig eingeklammert.
Nicht alle der 18 Fallgestaltungen werfen Probleme auf. Bei manchen treten die Fragen in gleicher oder zumindest analoger Weise auf. Daher sollen hier zunächst herausgestellt werden, welche der Konstellationen weitergehender Untersuchung bedürfen.
1. Gliederung der Aufgabenstellung
a) Die Fallgestaltungen
aa) In der einfachsten Gestaltungsmöglichkeit hat der Erblasser weder für den Todes- noch den Erlebensfall eine Bezugsrechtsbestimmung getroffen. Tritt der Todesfall ein ([Ek]Tk1), fällt die Versicherungsleistung in den Nachlass. Der Pflichtteilsberechtigte profitiert über den regulären Pflichtteilsanspruch aus § 2303 BGB. Tritt der Erlebensfall ein (Ek[Tk]2), fällt die Versicherungsleistung zunächst in das Vermögen des Erblassers. Ist sie beim Erbfall dort noch vorhanden, profitiert der Pflichtteilsberechtigte über § 2303 BGB, verschenkt sie der Erblasser innerhalb der Fristen des § 2325 Abs. 3 BGB, kommt insoweit ein Anspruch aus § 2325 Abs. 1 BGB nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht.
bb) Die neue Rechtsprechung behandelt den Fall, dass der Erblasser für den Todesfall einen Bezugsberechtigten widerruflich einsetzt, dagegen für den Erlebensfall keine Bezugsberechtigung bestimmt. Tritt der Todesfall ein ([Ek...