Leitsatz
Zur durch Auslegung zu beantwortenden Frage, ob nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten gesetzliche oder gewillkürte Erbfolge eintritt, wenn sich die Eheleute im gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und zugleich bestimmte Vermögensgegenstände einerseits einem Verwandten der kinderlosen Ehefrau sowie andererseits Kindern des Ehemannes aus dessen erster Ehe zugewiesen haben.
OLG Dresden, Beschluss vom 8. Juli 2010 – 17 W 463/10
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten darüber, wer die am 11.5.2008 im Alter von 89 Jahren verwitwet und kinderlos verstorbene F. N. beerbt hat. Die Beteiligten zu 1 bis 3 sind als Schwester (Beteiligte zu 1) bzw. als die beiden Kinder des im Jahre 2005 vorverstorbenen Bruders (Beteiligte zu 2 und 3) die bei Eintritt gesetzlicher Erbfolge berufenen Erben. Die Beteiligten zu 4 bis 7 sind die Kinder des am 9.2.1990 knapp 80-jährig vorverstorbenen Ehemannes der Erblasserin, K. N., aus dessen erster Ehe.
Die Erblasserin und K. N. hatten im Oktober 1970 geheiratet und am 9.12.1986 ein gemeinschaftliches Testament verfasst. Darin setzten sie sich gegenseitig zu Erben ein und erwähnten im Weiteren die Beteiligte zu 2 sowie die Beteiligten zu 4 bis 6 namentlich; wegen des genauen Testamentswortlauts wird auf die Beschwerdeentscheidung Bezug genommen. Weitere Verfügungen von Todes wegen existieren nicht.
Das Amtsgericht hat am 13.8.2009, nachdem die Beteiligten zu 1 bis 6 widerstreitende Erbscheinsanträge gestellt hatten, die Erteilung eines Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 bis 3 kraft gesetzlicher Erbfolge angekündigt. Dagegen haben die Beteiligten zu 4 bis 7, jeweils einzeln, Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat den Vorbescheid am 01.03.2010 "auf die Beschwerde des Beteiligten zu 6" – ohne vorherige mündliche Anhörung der Beteiligten – aufgehoben, weil von einer testamentarischen Einsetzung der Beteiligten zu 2, 4, 5 und 6 als Schlusserben auszugehen sei. Dagegen richtet sich die am 20.05.2010 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts (wiederholt) eingelegte Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3. Die Beteiligten zu 4 bis 7 verteidigen die angefochtene Entscheidung.
Aus den Gründen
Auf das Verfahren einschließlich der Rechtsmittelzüge findet, worauf bereits der im früheren Stadium befasst gewesene 3. Zivilsenat im Beschluss vom 10.11.2009 zutreffend hingewiesen hat, einheitlich das alte Recht Anwendung. Die hiernach gemäß den §§ 27 Abs. 1 S. 1, 29 Abs. 1, Abs. 4, 21 Abs. 2 S. 1, 20 Abs. 1 FGG zulässige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 bis 3 ist begründet und führt unter Aufhebung der Beschwerdeentscheidung zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Das nach den ZGB-Vorschriften wirksame errichtete gemeinschaftliche Testament sei nach den Regeln des BGB auszulegen. Die Eheleute hätten über die gegenseitige Erbeinsetzung hinaus gemeinsame Regelungen für den Tod des Letztversterbenden getroffen. Eine konkrete Zuweisung von Vermögensgegenständen sei insoweit hinsichtlich des Kontos und der persönlichen Gegenstände der Erblasserin an die Beteiligte zu 2 einerseits und hinsichtlich des Kontos des Ehemannes und dessen Werkzeugen an die Beteiligten zu bis 6 andererseits erfolgt. Hinsichtlich des Hausgrundstücks fehle zwar eine konkrete Zuweisung. Aus der Formulierung "da von meinen Kindern das Hausgrundstück keiner übernehmen will ..." ergebe sich aber eindeutig, dass der Wert des Grundstücks den Kindern des erstverstorbenen Erblassers habe zugute kommen sollen. Ingesamt zeige die Verteilung der Vermögensgegenstände den Willen der Testierenden, ihr jeweiliges Vermögen nach dem Tod des Letztversterbenden eigenen ausgewählten Familienmitgliedern zuzuwenden. Damit seien die Beteiligten zu 2, 4, 5 und 6 als Schlusserben eingesetzt, wobei sich die Erbquote nach dem Wert der ihnen zugewandten Vermögensgegenstände aus der Sicht der Testierenden zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung und hilfsweise nach der Auslegungsregel des § 2091 BGB bestimme.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, § 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO.
a) Gewillkürte statt der vom Amtsgericht befürworteten gesetzlichen Erbfolge kann nur auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments vom 9.12.1986 eingetreten sein. Dieses hatten die Ehegatten seinerzeit formgerecht und auch im Übrigen wirksam errichtet, §§ 388, 389 Abs. 1, 391 Abs. 2 ZGB iVm Art. 235 § 2 EGBGB. Das Beschwerdegericht ist ferner zu Recht von der Auslegungsfähigkeit und -bedürftigkeit des Testaments ausgegangen und hat richtig erkannt, dass für die Auslegung, obwohl der Ehemann der Erblasserin bereits vor der Wiedervereinigung verstorben war, nicht das DDR-Erbrecht, sondern wegen des Eintritts des hier interessierenden Erbfalls erst im Jahre 2008 die Vorschriften des BGB maßgeblich sind; Letzteres folgt im Umkehrschluss zwanglos aus Art. 235 § 1 EGBGB.
b) Dagegen begegnet das Auslegungsergebnis der angefochtenen Entscheidung durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Zwar obliegt die Auslegung letzt...