Diese Verpflichtung hat auch ihre Vorteile: Wird in Erbstreitigkeiten ein Mediationsverfahren durchgeführt, profitieren Sie als Prozessanwalt wirtschaftlich. Die gestraffte Verhandlungsführung ohne großen Schriftverkehr führt zu geringerem zeitlichem und logistischem Aufwand bei gleichem Gebührenvolumen (inklusive Einigungsgebühr). Zudem ist die Zufriedenheit der Mandanten nach erfolgreicher Mediation oft höher als nach Gerichtsurteilen oder erzwungenen Kompromissen.

Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit den praktischen Auswirkungen des MediationsG auf die Arbeit des Prozessanwaltes. Er spricht insbesondere diejenigen Kolleginnen und Kollegen an, deren Schwerpunkt im Erbrecht liegt und die sich mit Mediation bislang allenfalls am Rande beschäftigt haben. Nach Lektüre dieses Artikels sind Sie grundsätzlich in der Lage, die von der BRAK formulierten Aufgaben zu erfüllen, d.h. Grundmuster und Ablauf einer Mediation zu erklären, Vor- und Nachteile zu würdigen und nicht zuletzt zu differenzieren, welcher Fall mediationsgeeignet ist.

Ein wahrer Praxisfall soll Sie begleiten:

Vater V ist Unternehmer, Mutter M hat etlichen Immobilienbesitz. Sie haben 2 Kinder: Tochter T hat studiert, verdient gut und hat 3 Kinder. Sie wohnt ca. 200 km entfernt. Sohn S – 45 Jahre, unverheiratet und kinderlos – wohnt bei den Eltern. Er soll das Unternehmen übernehmen und hat bereits erhebliche Anteile übertragen bekommen. Im Übergabevertrag hatte T bezüglich der Unternehmensanteile auf eigene Ansprüche verzichtet. Vermögen der Eltern hat sie bislang nicht erhalten. Beide Kinder sind zerstritten. Mit V und M hatte T weiter Kontakt. M verstirbt und wird von V als Alleinerben beerbt. T kommt zu Ihnen und möchte den Pflichtteil geltend machen. Sie fürchtet, V werde noch vor seinem Tod einen Großteil des Vermögens auf S übertragen, sodass T am Ende ganz leer ausgeht. V hatte auf ihre Anschreiben mit der Aufforderung zur Auskunft und Zahlung nicht reagiert. Sie reichen namens der T Stufenklage auf Auskunft und Zahlung des Pflichtteils ein. Nach einigen Wochen erhalten Sie ein Schreiben der Kammer, in dem es sinngemäß und in freundlichen Worten heißt: "Die Kammer geht davon aus, dass die Streitigkeit auch im Wege eines Mediationsverfahrens gelöst werden kann. Das Landgericht hat eine Kammer für Mediationsverfahren eingerichtet. Sollten beide Parteien zustimmen, würde von dort aus Termin bestimmt werden."

Der Mandant erwartet nun von Ihnen eine Empfehlung hinsichtlich des weiteren Vorgehens. Dabei sieht er Sie als Kommunikator[3] eines für ihn unbekannten und unverständlichen Verfahrens.

[3] Otto, Matthias, Mandantenerwartungen an die Führungspersönlichkeiten einer Kanzlei, AnwBl 5/2010, S. 303 f.

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