Nach dem Gesetzeswortlaut müssen die in den Schutzbereich des Pflichtteilsentziehungsrechts einbezogenen Personen dem Erblasser ähnlich wie ein Ehegatte oder ein Abkömmling nahe gestanden haben. Ausweislich der Gesetzesmaterialien sollen mit dem unbestimmten Rechtsbegriff solche Personen erfasst werden, deren Verletzung den Erblasser in gleicher Weise trifft wie ein Angriff gegen seinen schon zuvor einbezogenen Ehegatten oder seine Abkömmlinge. Daher ist erforderlich, dass zwischen der "nahe stehenden Person" und dem Erblasser ein ähnliches Verhältnis wie zwischen Ehegatten oder Eltern und ihren Abkömmlingen besteht, maW eine der Partnerschaft oder Nachkommenschaft vergleichbare Verbindung. Damit muss die gelebte Nähebeziehung in ihrer Intensität einer Ehe oder einem Verwandtschaftsverhältnis entsprechen, was ein auf gewisse Dauer angelegtes, auf Gegenseitigkeit beruhendes enges zwischenmenschliches Verhältnis voraussetzt, da nur in diesem Falle vergleichbare wechselseitige Solidaritätsgefühle entstehen.
Präzisiert werden diese Anforderungen durch den Sinn und Zweck der Reform. Mit der Erweiterung des Kreises der durch das Pflichtteilsentziehungsrecht geschützten Personen sollte den gewandelten familiären Strukturen Rechnung getragen werden. Damit darf es sich bei der zwischen dem Erblasser und dem Betroffenen bestehenden Beziehung aber nicht um eine traditionelle Form des familiären Zusammenlebens handeln. Sie muss vielmehr Ausdruck der gesellschaftlichen Veränderungen sein.
Ob sich neben diesen Merkmalen noch weitere Kriterien aufstellen lassen, die die "nahe stehende Person" abstrakt kennzeichnen, wird zu bezweifeln sein. So ergeben sich weder aus dem Wortlaut noch aus der Gesetzesbegründung hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine "nahe stehende Person" zwingend im gemeinsamen Haushalt des Erblassers leben muss. Ein solches Erfordernis lässt sich auch nicht aus einem Vergleich mit den gleichfalls geschützten Personen – Ehegatten und Abkömmlinge des Erblassers – entnehmen. Ganz im Gegenteil sind de lege lata (erwachsene) Kinder des Erblassers auch dann geschützt, wenn sie nicht mehr im Haushalt des Erblassers wohnen. Umgekehrt kann sich aus einem gemeinsamen Hausstand aber ein Indiz für ein Näheverhältnis iSv § 2333 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB ergeben.
Der Betroffene muss dem Erblasser zum Zeitpunkt des Fehlverhaltens des Pflichtteilsberechtigten ähnlich nahe gestanden haben, damit dieser zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt ist. An dieser Entziehungsmöglichkeit ändert sich auch dann nichts, wenn die Beziehung später beendet wird. Im Gegenzug ist dem Erblasser eine Pflichtteilsentziehung verwehrt, wenn er erst im Anschluss an die Tathandlung des Pflichtteilsberechtigten ein Näheverhältnis zum Opfer begründet.