Das Bochumer Erbrechtssymposium ging am 16.9.2011 mit dem Tagungsthema "Illoyalität im Erbrecht" in die zweite Runde. Prof. Dr. Karlheinz Muscheler als Vorsitzender des veranstaltenden Vereins Hereditare e.V. – Wissenschaftliche Gesellschaft für Erbrecht stimmte die 75 angereisten Tagungsteilnehmer aus Wissenschaft und Praxis auf die bevorstehenden Vorträge ein. Das Wort "Loyalität", aus dem Lateinischen stammend und Mitte des 18. Jahrhunderts aus dem Französischen ins Deutsche übernommen, bedeute heute neben "Gesetzestreue" auch "vertragsmäßiges Verhalten" und das "Respektieren des Gegenübers". Illoyalität, der sich im Folgenden die eingeladenen Referenten in ausgewählten erbrechtlichen Bereichen widmeten, meine dementsprechend das Nichtvorhandensein dieser Verhaltensweisen.
Die Reihe der Vorträge begann Prof. Dr. Christina Eberl-Borges mit dem Thema "Blockadepolitik in der Erbengemeinschaft". Gründe für die Blockadehaltung einzelner Miterben seien häufig in psychologischen Konflikten zu finden. Zum einen könne aus dem unterschiedlichen Umgang mit dem Thema "Tod und Trauer" gegenseitiges Unverständnis entstehen, zum anderen müssten in zerstrittenen Erbengemeinschaften oft zunächst alte Familienkonflikte aufgearbeitet werden. Ziel eines professionellen Konfliktmanagements sei es, das Misstrauen unter den Erben aufzulösen, die wahren Interessen aufzudecken und eine konstruktive Gesprächsatmosphäre für die Erbauseinandersetzung zu schaffen. Diesen Anforderungen komme das nachlassgerichtliche Vermittlungsverfahren (§§ 363–372 FamFG) bislang nur in unzureichender Weise nach. Auch mit der Planung eines (außergerichtlichen) Mediationsverfahrens in § 36 a FamFG-E greife der Gesetzgeber zu kurz und ignoriere die vielen anderen Formen alternativer Streitbeilegung. Eberl-Borges plädierte daher für einen Ausbau des nachlassgerichtlichen Verfahrens durch gezielte Mischung verschiedener Konfliktlösungsverfahren. Der Vermittler müsse, wenn die Miterben sich nicht untereinander einigten, die Befugnis erhalten, bisherige Vorschläge zu bewerten, eigene Vorschläge einzubringen und letztlich das Verfahren durch eine Entscheidung auch zum Abschluss bringen zu können.
In der sich an den Vortrag anschließenden Diskussion wurde die geplante Einführung eines Mediationsverfahrens für die Erbauseinandersetzung von Prof. Dr. Peter A. Windel kritisch bewertet. Er halte es für sinnvoller, dem Richter mehr Entscheidungskompetenz zuzugestehen und dafür ein Verfahren ähnlich dem der Hausratsverteilung vorzusehen. Rechtsanwalt Dr. Andreas Frieser ergänzte, dass die Praxis sich damit behelfe, einzelne Punkte der Erbauseinandersetzung im Wege der Feststellungsklage zu klären. Dass dieser Feststellungsprozess häufig in einen Vergleich münde, funktioniere im Gegensatz zum nachlassgerichtlichen Vermittlungsverfahren, weil hier der Druck der Entscheidung durch den Richter zu einer vergleichsweisen Einigung "locke".
Mit dem Thema "Leer ausgegangen? Nichtbedachtsein in der Verfügung von Todes wegen trotz eigener Leistung" befasste sich Prof. Dr. Rainer Kanzleiter. Das Scheitern des § 2057 b BGB-E habe der Diskussion über den gerechten Ausgleich erbrachter Pflegeleistungen keinen Abbruch getan. De lege ferenda bestünde erstens die Möglichkeit, im derzeitigen Ausgleichungssystem den Kreis der ausgleichsberechtigten Personen auf alle gesetzlichen oder testamentarischen Erben auszudehnen. Zweitens könne der Pflegeperson zur Abgeltung ihrer Leistungen ein gesetzliches Vermächtnis zugewendet werden oder ihr könne drittens kraft Gesetzes ein Vergütungsanspruch schon zu Lebzeiten eingeräumt werden. Kanzleiter tendierte zur vierten Variante, nämlich der Schaffung eines eigenen, aus dem Nachlass zu erfüllenden Vergütungsanspruchs, der nach dem Tod des Erblassers demjenigen zustehe, der den Erblasser längere Zeit gepflegt und sich dadurch in besonderer Weise um ihn verdient gemacht habe. Der Anspruch (beispielsweise in einem neuen § 1968 a BGB normiert) solle sich betragsmäßig an § 37 Abs. 1 SGB XI orientieren und sonstigen Pflichtteils- und Vermächtnisansprüchen vorgehen, da der Pflegende zur Erhaltung des privaten Vermögens des Erblassers beigetragen habe.
In der Diskussion wurde der Vorschlag eines postmortalen Vergütungsanspruchs sehr kritisch bewertet. Rechtsanwalt Dr. Enno Strecker sah keine dogmatische Grundlage für einen solchen Anspruch und auch Prof. Dr. Knut Werner Lange gab zu bedenken, ob ein Ausgleich gerade zwingend im Erbrecht geschehen müsse. Rechtsanwalt Dr. Bernhard Meiski sah in dem Vorschlag, dass der Betrag der Pflegeleistung vor Berechnung des Pflichtteils in Abzug zu bringen sei, eine doppelte Begünstigung desjenigen Pflegenden, der aus Dankbarkeit schon zum Erben eingesetzt worden sei. Rechtsanwalt Bernd Riegel schlug vor, zur Lösung der Problematik die zu anderen Fallkonstellationen ergangene Rechtsprechung fruchtbar zu machen, beispielsweise eine Entscheidung des LAG Hessen (ZEV 2011, 434) zum Ersatz aus sog. "fehlgeschlagener Vergütungser...