I. Die französische Perspektive
Frau Simon-Michel erläuterte, dass sich die Regierungen Frankreichs und Deutschlands darauf geeinigt haben, die im Grünbuch enthaltenen Vorschläge ab 2013 schrittweise umzusetzen. Allerdings sei zu bedenken, dass das wichtige Ziel der Haushaltskonsolidierung keine übermäßigen Steuersenkungen erlaube. Auch seien in Frankreich jüngst erst die Wahlen des Präsidenten und zur Nationalversammlung erfolgt, weshalb die Fragen zur Regierungsbildung und zu möglichen Koalitionen bislang noch nicht geklärt seien. Die insoweit noch unsichere politische Lage erschwere Prognosen über die tatsächlichen Perspektiven einer Angleichung der Unternehmenssteuersysteme.
II. Die deutsch-französische Initiative aus Sicht der EU-Kommission
Herr Zourek wies darauf hin, dass bei der von der EU-Kommission ausgehenden Initiative für eine europaweite Bemessungsgrundlage im Wesentlichen drei Aspekte im Vordergrund stünden. Erstens gehe es darum, für die auf dem europäischen Binnenmarkt tätigen Unternehmen möglichst attraktive Bedingungen zu schaffen. Zweitens reagiere man auf die Kritik von Unternehmen, die sich über die Komplexität und Kosten der Rechnungslegung in den verschiedenen Mitgliedsstaaten beklagten. Drittens handle es sich um eine Antwort auf die Herausforderungen der Wirtschaftskrise. Mit ihrer Initiative versuche die Kommission, Prozesse innerhalb der Mitgliedsstaaten anzustoßen. Insofern sei die deutsch-französische Initiative zu begrüßen, die zeige, dass auch hoch komplexe steuerliche Fragen erfolgreich angegangen werden könnten, wenn nur der politische Wille dazu vorhanden sei. Was die Unterschiede zwischen dem Grünbuch und dem Vorschlag der Kommission betreffe, sei auffällig, dass sämtliche Elemente, die die Kommission zur Ermöglichung einer Konsolidierung implementiert habe, in dem Grünbuch nicht vorgesehen seien.
III. GKKB als mehrstufiger Umsetzungsprozess
Prof. Herzig stellte klar, dass das deutsch-französische Projekt kein Konkurrenzprojekt zur GKKB sei, sondern ein Schwungrad für diese. Die GKKB habe unter der dänischen Ratspräsidentschaft aufgrund der Vielzahl guter Änderungsvorschläge eine bemerkenswerte Fortentwicklung erfahren. Problematisch sei es aber, dass ein Großteil der Richtlinien auf Grundlage von Best-Practice-Lösungen einzelner Staaten geschaffen worden sei. In systematischer Hinsicht gebe es hier noch Nachbesserungsbedarf. Zwar sei es reizvoll, mit der Umsetzung des GKKB-Projekts sämtliche Probleme, über die im Bereich der direkten Steuern in Europa diskutiert worden sei, auf einmal zu lösen. Dennoch dürfe nicht übersehen werden, dass die Umsetzung des Projekts auch mit Schwierigkeiten verbunden sei. Aus deutscher Sicht schließe die Existenz der Gewerbesteuer eine solche Vorgehensweise aus. Es sei ratsam, zunächst auf die gemeinsame Gewinnermittlung als ersten Schritt zu fokussieren. Bei der Umsetzung eines Vorschlags durch den nationalen Gesetzgeber müsse man sich sodann auf Nicht-Optionalität verständigen. Ein optionales Angebot mit zwei verschiedenen nebeneinander existierenden Gewinnermittlungssystemen sei nicht praktikabel. Insgesamt erfordere die Angleichung der Unternehmenssteuersysteme einen mehrstufigen Prozess, der sich allmählich dem ambitionierten Ziel der Vollharmonisierung annähere.