Zur Frage, ob und in welcher Form sich die angestrebte Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung zwischen Deutschland und Frankreich für das Projekt der Einführung einer GKKB auswirken könnte, betonte Prof. Kahle, dass es schon als großer Erfolg zu werten sei, wenn innerhalb der EU eine Harmonisierung der Regelungen zur Gewinnermittlung erreicht werden könnte.
Angesichts der Unterschiede zwischen den Gewinnermittlungsvorschriften der deutschen und französischen Rechtsordnung sei allerdings zweifelhaft, welchen Beitrag das Grünbuch leiste, um eine Harmonisierung der Gewinnermittlungsvorschriften zwischen Deutschland und Frankreich zu erreichen und gleichzeitig den Grundstein für eine Umsetzung der GKKB zu legen. Das Grünbuch lasse Leitlinien für eine steuerliche Gewinnermittlung vermissen. Wenn man sich zur Harmonisierung entschlossen habe, dann erfordere dies die Entwicklung von systemtragenden Prinzipien und ökonomischen Anforderungen, auf deren Grundlage Gewinnermittlungsfähigkeiten abgeleitet würden.
Die im Grünbuch vorgeschlagenen Maßnahmen seien zu punktuell. Wichtige Problemfelder würden überhaupt nicht behandelt. Beispielsweise werde von Konvergenzmaßnahmen im Hinblick auf die Behandlung von Forschungs- und Entwicklungsausgaben abgesehen, weil die jeweiligen Vorschriften der beiden Länder als nicht so unterschiedlich qualifiziert würden. Dies könne nicht überzeugen, da hier tatsächlich völlig unterschiedliche Systeme verfolgt würden. Entsprechendes gelte für den Bereich der Rückstellungen, die aufgrund von Spezialvorschriften in der französischen Steuerbilanz nicht ausgewiesen werden dürfen. Die Problematik der Zurechnung von Wirtschaftsgütern werde überhaupt nicht angesprochen, obgleich in Deutschland das Prinzip der wirtschaftlichen und in Frankreich das der rechtlichen Vermögenszugehörigkeit verfolgt werde. Keinen Beitrag leiste das Grünbuch für die Auslegung der Richtlinie zur GKKB. Basis für eine Auslegung sei die Existenz eines inneren Systems, das innerhalb der Richtlinie nicht verankert sei; ein ersatzweiser Rückgriff auf nationale Rechtsordnungen scheide aus. Auch die vorgesehenen Konvergenzmaßnahmen zur Modernisierung der deutschen Organschaft brächten keine neuen Erkenntnisse. Das Grünbuch sehe zwar eine Abschaffung des Gewinnabführungsvertrages und eine Erhöhung der Mindestbeteiligungsquote an der Organgesellschaft als weitere Konvergenzmaßnahmen vor. Da diese Maßnahmen aber in Deutschland seither zur Diskussion stünden, trage das Grünbuch auch in dieser Hinsicht nicht zur Rechtsfortbildung bei.
Vor diesem Hintergrund könne sich Prof. Kahle nicht vorstellen, dass das Grünbuch einen neuen Anstoß für die Harmonisierung der Unternehmensbesteuerung auf europäischer Ebene geben könnte. Dafür seien die Maßnahmen zu punktuell und beruhten im Wesentlichen auf Vorhaben, die bereits aufgrund der EuGH-Rechtsprechung respektive des Koalitionsvertrages im Visier des deutschen Gesetzgebers gestanden hätten.