Welche Lösung vorzugswürdig ist, muss die Beratungspraxis nach den jeweiligen familiären Umständen entscheiden. Als Entscheidungshilfe empfiehlt sich die bemerkenswerte Untersuchung von Muscheler zum Vor- und Nachvermächtnis. Dazu ein Kurzauszug:
a) Pro Erbschaftslösung
Für die Erbschaftslösung spricht, dass es noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung zu der stark umstrittenen Frage gibt, wie im Falle der Vermächtnislösung das Konkurrenzverhältnis zwischen der noch nicht erfüllten Verbindlichkeit gegenüber dem Nachvermächtnisnehmer (§ 2174 BGB) und der Ersatzpflicht gegenüber dem Sozialversicherungsträger (§ 102 SGB XII früher § 92 c BSHG) zu entscheiden ist. Der Erbe des Vorvermächtnisnehmers schuldet beides – Ersatz der Sozialhilfekosten einerseits und Erfüllung des Nachvermächtnisses andererseits. Zusätzlich stellt sich das Problem, dass vor dinglicher Erfüllung der Gegenstand des Nachvermächtnisses zur Insolvenzmasse eines über den Nachlass des behinderten Vorvermächtnisnehmers eröffneten Nachlassinsolvenzverfahrens gehört.
b) Pro Vermächtnislösung
Über eine Mitgliedschaft in der Erbengemeinschaft erhält der Behinderte allerdings Beteiligungsrechte an Verwaltung und Auseinandersetzung des Nachlasses. Das kann wegen der Notwendigkeit, Testamentsvollstrecker und Betreuer einzuschalten, gegebenenfalls ein Mitregieren sogar familienfremder Außenstehender zur Folge haben, wenn etwa kompetente Familienmitglieder nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Bei einem Zusammenführen von Testamentsvollstreckung und Betreuung in einer familienzugehörigen Hand könnte zudem den Einsatz eines Dauerpflegers bzw. Dauerersatzbetreuers erforderlich werden. Bei solchen Konfliktlagen scheint eine Lösung näherzuliegen, das behinderte Kind nicht zu Mit-Vorerben, sondern zum unter Testamentsvollstreckung gestellten Vor-Vermächtnisnehmer in einem Umfang zu machen, der Pflichtteilszusatzansprüche gemäß § 2307 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB ausschließt.
c) Differenzierung nach Erbfällen
Unabhängig davon darf der Hauptunterschied zwischen Erbfall nach dem erstversterbenden Elternteil und nach dem Längstlebenden nicht außer Acht gelassen werden: Beim ersten Erbfall steht regelmäßig die Absicherung des länger lebenden Ehegatten im Vordergrund, was – für sich genommen – seine Einsetzung als unbeschränkter und unbeschwerter Alleinerbe verlangt und damit gegen eine Miterbenstellung des behinderten Kindes spricht.