Ausgangspunkt des bislang bestehenden Streits war das in der Zeit zwischen dem ersten und dem zweiten Senatsurteil zum Behindertentestament ergangene Urteil des VGH Mannheim, demzufolge der Verzicht eines Sozialleistungsbeziehers auf den Pflichtteil wegen dessen partieller Funktion als "Unterhaltsanspruch über den Tod hinaus" wie Unterhaltsverzichte von Ehegatten zulasten der Sozialhilfe nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig seien. Dass im Streitfall ein mit dem Tod des Erblassers bereits entstandener Pflichtteilsanspruch durch Erlass und Aufrechnung zum Erlöschen gebracht werden sollte, war für das Gericht nicht entscheidend.
a) Streitstand
Die überwiegende Literatur der 90er- und frühen 2000er-Jahre folgte dem VGH Mannheim jedenfalls dann, wenn es an einer adäquaten Gegenleistung fehlte, wobei unterschiedliche Anforderungen an die Bedürftigkeit des Verzichtenden und die diesbezügliche Kenntnis der Beteiligten gestellt wurden. Neuerdings sind die Übertragbarkeit der Rechtsprechung zum Unterhaltsverzicht und die Zugriffsvereitelung als alleiniges Motiv vereinzelt als Argument für die Sittenwidrigkeit wiederentdeckt worden.
Dagegen verneint die weit überwiegende Auffassung insbesondere im jüngeren Schrifttum die Sittenwidrigkeit des Verzichts, unter anderem weil das Pflichtteilsrecht lediglich eine unsichere Erwerbshoffnung darstellt (aleatorische Natur, Wagnischarakter), und damit keine bestehende Erwerbsquelle aufgegeben wird. Zusätzlich wird auf das Motiv hingewiesen, den überlebenden Elternteil abzusichern. Verstärkt werden allerdings die Wertungswidersprüche zu der anerkannten Gültigkeit von Behindertentestamenten betont, wenn Behinderten das Recht genommen wird, Zuwendungen abzulehnen. Zu letzteren gehöre ich.
b) Bundesgerichtshof 2011
Höchstrichterlich hat der Bundesgerichtshof 2011 ein klares Machtwort gesprochen. Auf der Grundlage des nach wie vor unverändert geltenden Sozialrechts kann das Ergebnis kaum Erstaunen auslösen, Behinderten die gleichen Instrumente an die Hand zu geben, die Nichtbehinderte selbstverständlich benutzen dürfen. Von Erläuterungsinteresse ist nicht so sehr das – mittlerweile bekannte – Resultat, sondern – für die zu prognostizierende Behandlung weiterer Gestaltungswege – mehr, welche einfach-rechtlichen bis zu verfassungsrechtlichen Gründe der Senat dafür herangezogen hat.
Seine Ausgangsposition, dass der auch beim Verzicht im Zentrum stehende Sittenwidrigkeitsvorwurf nach den Wertungen des Behindertentestaments zu behandeln ist, läs...