In diesem dritten Einwand liegt der Schwerpunkt des höchstrichterlichen Wirksamkeitstestates mit ungebremster, nicht nachlassender Ausstrahlungskraft bis heute:
Mit dieser Testamentsgestaltung wollen Eltern ihrer sittlichen Verantwortung gemäß für das Wohl des Kindes auch dort sorgen, wo ihnen die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Sozialverwaltungen entgegengehalten werden. Damit hatte der Senat – fast visionär – bereits den wieder als neu vorgestellten Gedanken über Verringerungen des Sozialleistungsstandards im Blick. Solchen Gefahren sollte gerade durch erbrechtliche Gestaltungen entgegengewirkt werden. Von einem beachtenswerten zeitlichen Wandel, der eine Neubestimmung der Sittenwidrigkeit bedingen könnte, kann nicht die Rede sein, vielmehr sollte ausdrücklich den Auswirkungen eines damals schon für möglich gehaltenen Wandels etwas Bestandskräftiges entgegengesetzt werden. Allgemeine dem Zeitgeist geschuldete Anschauungen über Solidarität und Risikoverteilung vermögen dem nicht die Grundlage zu entziehen.
Nach wie vor gilt: Nicht die bereits ausgeübte Verantwortung einschließlich materieller Versorgung kann ausnahmsweise vom Makel der Sittenwidrigkeit befreien, sondern der durch das Testament von Eltern über ihren Tod hinaus getroffenen Vorsorge gebührt die sittliche Anerkennung.
Solche Nachlassgestaltungen werden nicht nur durch die Testierfreiheit – Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG – gedeckt, sondern entsprechen zudem der verfassungsrechtlich – Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG – begründeten Verantwortung der Eltern für das Wohl ihrer Kinder auch über das Leistungsniveau der Sozialhilfe hinaus, die nicht ohne Weiteres hinter die Interessen der öffentlichen Hand – und damit der Allgemeinheit – an einer (teilweisen) Deckung der Kosten zurücktreten muss. Auch dem Sozialhilferecht ist ein solcher Vorrang der öffentlichen Interessen nicht zu entnehmen. Vielmehr hat der Gesetzgeber den Grundsatz der Subsidiarität der Sozialhilfe selbst mehrfach und gerade zugunsten behinderter Menschen und ihrer Eltern durch das gegenläufige Prinzip des Familienlastenausgleichs durchbrochen. Die Kosten für Versorgung, Erziehung und Betreuung behinderter Kinder sind insoweit endgültig der Gesellschaft zugewiesen.
Ergebnis: Die Testamentsallee ist uneingeschränkt als Gestaltungsweg ausgebaut, auf dem letztwillige Zuwendungen an Behinderte ohne Berücksichtigung der Belange von Sozialhilfeträgern befördert werden können.