Die Gegner verweisen demgegenüber regelmäßig darauf, dass der beim Pflichtteilsverzicht selbst handelnde Leistungsbezieher sich nicht wie der Erblasser auf die Testierfreiheit im eigentlichen Sinn berufen könne. Insofern sei der Pflichtteilsverzicht eher mit dem Fall der Ausschlagung einer bereits angefallenen Erbschaft vergleichbar, der obergerichtlich als sittenwidrig eingestuft werde.
(aa) Obergerichtliche Rechtsprechung
Richtig daran ist, dass das OLG Stuttgart und das OLG Hamm in FGG-Verfahren entschieden haben, dass eine – vom Betreuer erklärte – Ausschlagung der Erbschaft eines behinderten Kindes, für die als Gegenleistung ihm nicht auf die Sozialhilfe anrechenbare Zuwendungen gewährt werden sollten, nicht vom Vormundschaftsgericht genehmigt werden könne. Der Behinderte entziehe eigennützig dem Sozialhilfeträger den Zugriff auf bereits beim Leistungsbezieher angefallenes Vermögen.
(bb) Negative Erbfreiheit
Dem widerspricht in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Meinung in der Literatur mit beachtlicher Begründung das LG Aachen. Das überzeugt und zwar vor allem aus grundrechtlicher Sicht, wie der Senat – erstmalig in der Rechtsprechung – dargelegt hat, was Sie unbedingt behalten sollten:
Die Wertungen der Senatsrechtsprechung zum Behindertentestament müssen auch beim erbrechtlich relevanten Handeln des Behinderten selbst zum Tragen kommen. Dessen Entscheidung darüber, ob er die Erbschaft bzw. den Pflichtteil haben bzw. behalten will, wird zumindest durch den Grundsatz der PrIV atautonomie gedeckt. Grundsätzlich ist jeder frei in seiner Entscheidung, ob er Erbe eines anderen werden möchte oder auf andere Art etwas aus dessen Nachlass erhalten will. Die – aus Grundrechtssicht – sich stellende Frage, ob die Erbrechtsgarantie in Art. 14 Abs. 1 GG weitergehend auch ein negatives Gegenstück iS einer "negativen Erbfreiheit" enthält, hat der Senat bejaht. Wenn Erblasser frei darin sind, andere zu ihren Erben einzusetzen, kann dies nur insoweit angehen, als die Betroffenen damit einverstanden sind. Es gibt keine Pflicht, etwas erben oder aus dem Nachlass sonst annehmen zu müssen. Deswegen muss Betroffenen das Recht zur Ausschlagung zustehen, um sich gegen den vom Gesetz vorgesehenen Von-selbst-Erwerb (§ 1922 BGB) ohne Angabe von Gründen wehren zu können. Dabei kann für einen erbrechtlichen Erwerb von Vermächtnis- oder Pflichtteilsansprüchen im Grundsatz nichts anderes gelten als für die Erbenstellung selbst. Insoweit kann sich auch der Pflichtteilsberechtigte bei seiner Ablehnung nicht nur auf die durch Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete PrIV atautonomie, sondern auch auf den speziellen Grundrechtsschutz des Art. 14 Abs. 1 GG berufen.
Im Originalton fasst der Senat dies schlagsatzartig so zusammen:
Zitat
"Die grundsätzliche Ablehnungsmöglichkeit gegenüber Zuwendungen ist notwendiger Widerpart, der einen unmittelbar wirksamen Vermögensübergang ohne eigenes Zutun erst rechtfertigt. In diesem Sinn steht …[ihm]… der Grundgedanke der Erbenfreiheit zur Seite."