Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) bis 4) ist zulässig. (...)
Die Beschwerde ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und zur Zurückverweisung des Erbscheinsverfahrens an das Amtsgericht (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Das amtsgerichtliche Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel, vor der Entscheidung wäre eine umfangreiche Beweiserhebung erforderlich und die Beteiligten zu 1) bis 4) haben die Zurückverweisung beantragt. Die vom Amtsgericht – Rechtspfleger – abgelehnte Durchführung eines Aufgebotsverfahrens nach § 2358 Abs. 2 BGB zum Ausschluss der als Miterbin in Betracht kommenden K und deren eventuell vorhandener Nachkommen ist nicht mehr durch das insoweit bestehende pflichtgemäße Ermessen gedeckt. Die amtsgerichtliche Entscheidung lässt aufgrund der nur unzureichenden Begründung bereits nicht erkennen, ob die Rechtspflegerin das Aufgebotsverfahren bereits abgelehnt hat, weil sie ein Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz – rechtsirrig – für vorrangig gehalten hat, oder ob sie unabhängig von dieser Rechtsansicht das ihr zustehende Ermessen noch ausgeübt hat.
Der Durchführung des Aufgebotsverfahrens steht entgegen der Ansicht der Rechtspflegerin nicht entgegen, dass ein Verfahren zur Todeserklärung nach dem Verschollenheitsgesetz (im Folgenden: VerschG) vorrangig wäre (Senat FGPrax 1999, 27). Ein Verfahren nach dem Verschollenheitsgesetz scheidet nach § 1 Abs. 2 VerschG nämlich immer dann aus, wenn der Tod des Betreffenden nach den Umständen nicht zweifelhaft ist. Wann zweifelsfrei aus den Umständen zu entnehmen ist, dass jemand verstorben sein muss, bestimmt sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung. Nach sorgfältiger Prüfung aller Umstände dürfen für einen vernünftig Denkenden keine Zweifel an dem Tode bestehen (Staudinger-Habermann, BGB, Neubearbeitung 2013, § 1 VerschG [im Band Einleitung zum BGB und Allgemeiner Teil 1], Rn 11). Dies ist z. B. der Fall, wenn feststeht, dass der Betreffende die höchstmögliche Lebenszeit eines Menschen überschritten haben müsste (Staudinger-Habermann aaO, dortiges Beispiel: Alter von 120 Jahren). Die am 9.8.1892 geborene K wäre im Zeitpunkt der amtsgerichtlichen Entscheidung bereits älter als 120 Jahre gewesen. Ihr Tod kann daher nicht zweifelhaft sein.
Für die Frage, ob K Miterbin nach der Erblasserin geworden ist, kommt es allerdings ausschließlich darauf an, ob sie im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin am 10.8.1998 noch lebte. Entsprechende tatsächliche Feststellungen können nicht getroffen werden. K hätte zu diesem Zeitpunkt bereits ein Lebensalter von 106 Jahren erreicht haben müssen. Eine Vermutung dafür, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch gelebt hat, besteht nicht. Die Lebensvermutung nach § 10 VerschG greift nicht ein, weil diese voraussetzt, dass die betroffene Person im Sinne des § 1 VerschG verschollen ist, greift also nur ein, wenn ernste Zweifel am Fortleben der Person begründet sind (Staudinger-Habermann, aaO § 10 VerschG Rn 3). Für die Feststellung der gesetzlichen Erbfolge kann also lediglich von Bedeutung sein, ob etwaige Abkömmlinge an die Stelle der K getreten sind. In diesem Zusammenhang besteht deshalb kein Hinderungsgrund zur Durchführung eines Aufgebots nach § 2358 Abs. 2 BGB.
Da ein Aufgebotsverfahren daher in Betracht kommt, hätte die Rechtspflegerin das ihr hinsichtlich dessen Durchführung zukommende Ermessen ausüben müssen. Das lässt sich der Entscheidung bereits nicht entnehmen. Zudem hätte die Rechtspflegerin bei pflichtgemäßer Ausübung des ihr zustehenden Ermessens zu dem Ergebnis kommen müssen, dass ein Aufgebotsverfahren durchzuführen ist. Hinsichtlich der K liegt nur eine Geburtsurkunde vor. Wären weitere personenstandsrechtlich relevante Ereignisse eingetreten, wie zum Beispiel Verheiratung, Geburt von Kindern, Tod, hätten diese dem zuständigen Standesamt gemeldet und von diesem an das Standesamt L, jetzt F, weitergeleitet werden müssen. Dieses ist nicht geschehen. Möglichkeiten für weitere erfolgsversprechende Ermittlungen sind daher nicht gegeben und werden insbesondere auch nicht von der Rechtspflegerin aufgezeigt. Es bleibt nur das Aufgebotsverfahren.
Die Durchführung des Aufgebotsverfahrens stellt eine umfangreiche Beweisaufnahme dar, die vom Amtsgericht durchzuführen sein wird. (...)
ZErb 12/2014, S. 354 - 355