Tauglichkeit erbrechtlicher Instrumentarien zur modernen Gestaltung hausgesetzlicher Ordnungen
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Auch heute, lange nach der Auflösung des sog. Privatfürstenrechts und des Instituts des Familienfideikommiss, möchten viele Adelsfamilien ihre tradierten Vorstellungen in Bezug auf ihre Familie und die Weitergabe des Familienvermögens rechtsverbindlich regeln. Der folgende Beitrag stellt dazu in einem ersten Schritt wesentliche Regelungen der sog. Hausgesetze des Adels vor und widmet sich anschließend erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten und -grenzen einer modernen hausgesetzlichen Ordnung.
I. Einführung
Hochzeiten im Hochadel, genauso wie künftige Thronfolger europäischer Königshäuser, sind nicht nur ein gesellschaftliches Ereignis, sondern auch aus juristischer Perspektive interessant. Dies zunächst aus rechtshistorischen Gründen. Bis zur Außerkraftsetzung durch die Weimarer Reichsverfassung und die diese umsetzenden Reichsgesetze und Landesverfassungen standen hochadligen Familien besondere Vorrechte zu, die es ihnen ermöglichten, erb-, vermögens- und familienrechtliche Fragen in ihren sog. Hausgesetzen autonom zu regeln. Heute stehen die Gestaltungspraxis und die Zivilgerichtsbarkeit häufig vor der Frage, ob bzw. bis zu welchem Grad dem Wunsch hochadliger Familien, ihren früheren hausgesetzlichen Ordnungen Rechtsverbindlichkeit zukommen zu lassen, entsprochen werden kann.
II. Hausgesetzliche Ordnungen des Adels
1. Leitgedanke und Funktion hausgesetzlicher Ordnungen
Leitgedanke und grundlegende Funktion hausgesetzlicher Ordnungen waren der Erhalt des Glanzes und der Position der Familie sowie die Erhaltung und Sicherung ihrer wirtschaftlichen Stellung. Dazu war es erforderlich, dass sich die einzelnen Familienmitglieder der Einheit des Hauses unterordneten. Hausgesetzliche Regelungen zur Familienorganisation und -strukturierung sollten Zersplitterungstendenzen der Familie und damit des Hausvermögens verhindern.
2. Inhalte
Die Autonomie des hohen Adels ermöglichte die Entwicklung von hausgesetzlichen Normen, die der juristisch verbindlichen, vorbeugenden Regelung von familien-, erb- und vermögensrechtlichen Fragen der (hoch)adligen Familie dienten. Primär bestimmten diese, wer zur Familie gehörte. Abkömmlinge oder Ehefrauen, die nicht den Vorgaben des Hausgesetzes entsprachen, konnten keine Familien- und Erbrechte für sich in Anspruch nehmen. Als Familienmitglied kam nur in Betracht, wer ebenbürtig war. Hinsichtlich der Abstammung und Vermählung orientierte sich das Ebenbürtigkeitsprinzip an der Zugehörigkeit der Herkunftsfamilie eines bestimmten Standes. Neben dem Ebenbürtigkeitsprinzip beinhalteten Hausgesetze oftmals auch Regelungen zum sog. Konsensprinzip, wonach die Vermählung eines Familienmitglieds der Zustimmung besonderer Teile der Familie, insbesondere dem sog. Chef des Hauses, bedurfte.
Um das Familienvermögen vor der Zersplitterung durch wiederholte Vererbung zu schützen und den Unterhalt adliger Familien (z. B. in Form sog. Apanagezahlungen) sicherzustellen, wurden zweckgebundene Hausvermögen gebildet. Anders als die Bindung des Vermögens durch das Rechtsinstitut des Fideikommiss beruhte die Bindung dieses Sondervermögens hochadliger Familien nicht auf einer rechtsgeschäftlichen Erklärung seitens des Stifters, sondern auf der Befugnis zur Selbstgesetzgebung, einem öffentlich-rechtlichen Vorrecht, auf das sich ein privatrechtliches Sonderrecht gründete. Das auf diese Weise zu einer rechtlichen Einheit verbundene erbrechtslose Familienvermögen ohne eigene Rechtspersönlichkeit wurde durch den Chef des Hauses, der besonderen Verfügungsbeschränkungen zugunsten der Gesamtfamilie unterlag, verwaltet und nach einer festgelegten Sukzessionsordnung (beim Hochadel der sog. Primogenitur) von Generation zu Generation ohne zeitliche Beschränkung weitergegeben.