Fall 1
E setzt seine Ehefrau F zur nicht befreiten Vorerbin ein und bestimmt S und T als Nacherben. Für den Fall, dass einer der Nacherben vor Eintritt der Nacherbfolge versterben sollte, sollen an dessen Stelle seine Abkömmlinge zu unter sich gleichen Teilen als Ersatznacherben treten. Die Nacherbfolge tritt ein beim Ableben der Vorerbin. Nach Eintritt des Erbfalls wird F als Alleineigentümerin eines im Nachlass befindlichen Grundstücks und in Abteilung II des Grundbuchblatts die angeordnete Nacherb- und Ersatznacherbfolge eingetragen. In der Folgezeit übertragen S und T in einer notariellen Urkunde gegen Zahlung einer Abfindung ihre Anwartschaftsrechte auf die Vorerbin. Daraufhin beantragt F die Löschung des Nacherben- und Ersatznacherbenvermerks. Das Grundbuchamt weist den Antrag mit der Begründung zurück, es bedürfe zur Löschung des Vermerks der Zustimmung der Ersatznacherben.
a) Form und Auswirkung der Übertragung
Zwischen Vorerben und Nacherben ist während der Vorerbschaft eine Auseinandersetzung nicht vorgesehen, da Vorerbe und Nacherbe in dieser Zeit nicht Miterben sind. Daher besteht auch keine Verpflichtung dazu. Jedoch ist eine vertragliche Auflösung des zwischen ihnen bestehenden Verhältnisses durchaus zulässig. Ein einseitiger Verzicht des Nacherben auf sein Nacherbenrecht kann nur durch Erbausschlagung mit der Folge des Anfalls an den Nächstberufenen erfolgen. Der Nacherbe kann aber sein Anwartschaftsrecht auf den Vorerben übertragen. Wegen der Rechtsähnlichkeit zum Miterben gilt § 2033 BGB analog, sodass die Übertragung auf den Vorerben zulässig, aber formbedürftig (§ 2033 Abs. 1 S. 2 BGB) ist. Eine Veräußerung, die der Erblasser allerdings ausschließen kann, bedarf also der Form notarieller Beurkundung, das schuldrechtliche Grundgeschäft analog §§ 2371, 2385, 1922 Abs. 2 BGB und das dingliche Vollzugsgeschäft analog § 2033 Abs. 1 S. 2 BGB. Durch die Übertragung des Anwartschaftsrechts zwischen Erbfall und Nacherbfall tritt der Erwerber unmittelbar in die Rechtsstellung des Nacherben ein, ohne selbst Nacherbe zu werden. Übertragen sämtliche Nacherben ihre Anwartschaft auf den Vorerben und sind keine Ersatznacherben vorhanden, führt dies zum Erlöschen der Anwartschaftsrechte in der Person des Vorerben durch Konsolidation, sodass dieser Vollerbe wird.
b) Stellung der Ersatznacherben
Die Rechte eines (ausdrücklich oder stillschweigend) eingesetzten Ersatznacherben werden von der Übertragung des Anwartschaftsrechts des Nacherben nicht berührt, weil ihm nach dem Erbfall seine Berufung nicht mehr genommen werden kann. Damit der Vorerbe zum Vollerben wird, muss also auch der Ersatznacherbe seine Anwartschaft auf den Vorerben übertragen oder die Zustimmung zur Übertragung durch den Nacherben erteilen. Soll auch die Anwartschaft noch nicht gezeugter Ersatznacherben auf den Vorerben übertragen werden, ist dazu ein Pfleger nach § 1913 BGB zu bestellen. Die Übertragung ist zudem genehmigungspflichtig nach den §§ 1915, 1822 Nr. 1 BGB.
Übertragen die Ersatznacherben nicht oder nicht alle ihr Anwartschaftsrecht auf den Vorerben, steht nach der Rechtsprechung dessen Vollerbschaft unter der auflösenden Bedingung, dass die Voraussetzungen für den Ersatznacherbfall (z. B. Tod des Nacherben) eintreten. Zu diesem Zeitpunkt entsteht das Anwartschaftsrecht für den nunmehrigen Nacherben und die Rechtsvereinigung wird wieder aufgehoben. Der Vorerbe verliert also seine Stellung in dem Augenblick, in dem sie der Nacherbe an den Ersatznacherben verlieren würde, und der Ersatznacherbe tritt an die Stelle des Nacherben. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die Rechte und Pflichten des Vorerben und der Nacherben in einer Person vereinigt, sodass der Vorerbe über einen Gegenstand der Vorerbschaft, auch mit Wirkung für den Eintritt des Nacherbfalls, frei verfügen kann und eine solche Verfügung auch gegenüber dem Ersatznacherben wirksam ist. Dogmatisch zutreffender erscheint es allerdings, wie Muscheler unlängst aufgezeigt hat, statt eines einzigen Anwartschaftsrechts jeweils eigenständige und nebeneinander bestehende Anwartschaftsrechte des Nacherben und der Ersatznacherben anzunehmen. Die Vollerbschaft des Vorerben hängt dann davon ab, dass die Voraussetzungen für den Ersatznacherbfall nicht eintreten und das Anwartschaftsrecht des Ersatznacherben nicht zum Vollrecht erstarkt. Die Übertragung einzelner Anwartschaftsrechte auf den Vorerben führt zu deren Erlöschen durch Konsolidation ohne dass dies rückgängig gemacht werden kann, lässt aber die übrigen Anwartschaftsrechte unberührt. Solange die Voraussetzungen für den Wegfall des Nacherben und den Eintritt des Ersatznacherbfalls noch nicht gegeben sind, dürfte dies aber an dem Ergebnis...