Fall 2 A setzt ihre Tochter B zur Vorerbin ein. Nacherben sollen die von B geborenen Kinder zu gleichen Teilen sein. Sollte B ohne leibliche Kinder versterben, so sollen die Geschwister von B, nämlich M und K, ersatzweise deren Kinder, Nacherben werden. In der Erbregelung heißt es weiter, dass es die Absicht der A ist, dass das Erbe, das im Wesentlichen aus Immobilienvermögen besteht, der Familie erhalten bleibt. B soll deshalb den Besitz nicht verkaufen, ohne dass die Nacherben zustimmen. In der Folgezeit überträgt M ihr Anwartschaftsrecht auf ihre Schwester K und verstirbt im Jahr 2001. Nach dem Tode der kinderlos verstorbenen Vorerbin B im Jahr 2008 beantragt K einen Erbschein, der ausweisen soll, dass die Erblasserin A von ihr als alleinige Nacherbin beerbt worden sei. Die Kinder der M widersprechen dem und beantragen einen Erbschein, der sie und K als Erben ausweist.
a) Wegfall durch Anordnung einer auflösenden Bedingung
Bei Eintritt des Nacherbfalls wird ein Erbschein nur noch dem bisherigen Nacherben als nunmehrigem Erben erteilt. Im Erbschein aufzuführen sind auch Nacherben, die ihr Anwartschaftsrecht an Dritte oder Mitnacherben übertragen haben. Durch die Übertragung des Anwartschaftsrechts zwischen Erbfall und Nacherbfall tritt der Erwerber zwar ohne Durchgangserwerb unmittelbar in die Rechtsstellung des Nacherben ein. Er erhält jedoch mit dem Übertragungsakt und dem Eintritt des Nacherbfalls nicht die volle Rechtsstellung des Erben. Die Erbenstellung als solche verbleibt vielmehr dem Nacherben, weshalb der Erwerber in dem Erbschein auch nicht aufzuführen ist. Der Erwerber eines Anwartschaftsrechts legitimiert sich durch den Erbschein iVm der notariellen Übertragungsurkunde und ist antragsberechtigt nach § 2353 BGB.
Grundsätzlich kann der Nacherbe über sein bestehendes Anwartschaftsrecht verfügen, sofern der Erblasser die Verfügbarkeit über das Nacherbenanwartschaftsrecht nicht ausgeschlossen hat. Er kann jedoch nicht mehr Rechte übertragen, als er tatsächlich selbst hat. Der Erwerber – sei es ein Dritter oder auch der Vorerbe – kann von dem Nacherben das Recht nur in dem Rechtszustand erhalten, in dem es sich auch in der Hand des Nacherben befand. Hat aber der Erblasser für den Fall des Vorversterbens des Nacherben nach dem Erbfall, aber vor Eintritt des Nacherbfalles einen Ersatznacherben bestimmt, kann der zuerst eingesetzte Nacherbe auch in Verbindung und mit Zustimmung des Vorerben diesen testamentarischen Willen des Erblassers nicht beseitigen. Die Übertragung seines Anwartschaftsrechts auf den Vorerben oder einen Dritten lässt das Recht des etwa eingesetzten Ersatznacherben unberührt.
Der Erblasser entscheidet letztlich aber auch darüber, ob er die grundsätzliche Vererblichkeit des Nacherbenrechts (wie sich aus § 2108 Abs. 2 BGB ergibt) ausschließt bzw. einschränkt. Ihm steht die Möglichkeit zu, die Ersatznacherbfolge auflösend bedingt anzuordnen und sie für den Fall der Übertragung des Anwartschaftsrechts durch den Nacherben auf den Vorerben bzw. auf einen Dritten entfallen zu lassen. Eine derartige auflösende Bedingung bietet sich in der Praxis insbesondere für den Fall an, dass der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht auf den Vorerben überträgt. Denn hierdurch kann dem Vorerben unabhängig vom Eintritt der Voraussetzungen für den Nacherbfall die Stellung eines Vollerben verschafft werden.
b) Auslegung
Das OLG Schleswig weist im Fall 2 darauf hin, dass für eine derartige auflösende Bedingung deutliche Hinweise vorliegen müssen. Hat der Erblasser ausdrücklich Ersatznacherben eingesetzt, so deutet diese Anordnung zunächst darauf hin, dass die Nacherbenstellung gerade nicht vererblich sein und insbesondere die Übertragbarkeit des Nacherbenanwartschaftsrechts insoweit begrenzt sein soll, als der Nacherbe die Position des Ersatznacherben nicht zerstören kann. Ob die Übertragungsmöglichkeit des Anwartschaftsrechts bereits ausgeschlossen ist, wenn es die Absicht des Erblassers ist, sein Vermögen in der Familie zu halten, ließ das OLG Schleswig offen. Keinesfalls könne daraus aber geschlossen werden, dass der Erblasser dem Nacherben einräumen möchte, durch Verfügung über das Nacherbenanwartschaftsrecht zugunsten des Vorerben oder eines Dritten die ausdrücklich bestimmten Ersatznacherben aus dem Kreis der Familie auch dann von dem Nachlass auszuschließen, wenn der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls stirbt. Im Ergebnis führte dies dazu, dass auch die Kinder der M zur Nacherbfolge gelangten.