a) Zivilrechtliche Vorrangigkeit der Qualifikation als Stiftungsgeschäft vor einem Vertrag zugunsten Dritter
Ein Stiftungsgeschäft bzw. die Errichtung einer Stiftung stellt ein von einem Vertrag zugunsten Dritter verschiedenes Rechtsgeschäft dar: Nach der Systematik des BGB ist die Stiftung (§§ 80 ff BGB) im Allgemeinen Teil geregelt, dagegen der Vertrag zugunsten Dritter (§§ 328 ff BGB) im Allgemeinen Teil des Schuldrechts bei den vertraglichen Schuldverhältnissen. Grund dafür ist bereits, dass die Stiftung eben kein zweiseitiger Vertrag ist, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft. Ersichtlich wird daraus, dass der Gesetzgeber des BGB, der entgegen vielen anderen aufbautechnischen Korrekturen im Gesetz seit dessen Inkrafttreten zum 1.1.1900, den Bereich "Stiftung" weitgehend unverändert an gleicher Stelle geregelt hat, hier von einer anderen Ausgangssituation als bei zweiseitigen Verträgen ausgegangen ist. Das Vertragsprinzip ist umgekehrt bei §§ 328 ff BGB auch nicht entbehrlich, sondern es gehört beim Vertrag zugunsten Dritter zum Kernbereich des Rechtsinstituts, weil auch der Dritte gemäß § 333 BGB eine uneingeschränkte Zurückweisungsbefugnis hat.
Vor allem aber weist die Stiftung auch von ihrer Natur her wesentliche Unterschiede zum Vertrag zugunsten Dritter durch besondere Merkmale auf. Die Stiftung ist eine zwar nicht verbandsmäßig organisierte, aber doch mit Rechtsfähigkeit ausgestattete Einrichtung, die einen vom Stifter bestimmten Zweck mit Hilfe eines dazu gewidmeten Vermögens dauernd fördern soll. Das selbstständige Stiftungsvermögen ist ein konstitutives Merkmal der – selbstständigen – Stiftung. Die Stiftung hat eine eigene Verfassung, durch die sie an den objektivierten Willen des Stifters gebunden wird.
In der Praxis gilt für die Stiftung, als Unterschied zu z. B. privatrechtlichen Verbänden wie Gesellschaften, dass die Stiftung durch den objektivierten Stifterwillen eine Kontinuität aufweist, die Gesellschaftsformen des Privatrechts, z. B. die BGB-Gesellschaft, gerade nicht kennen. Bei letzteren steht die Verbandssouveränität im Vordergrund, sodass z. B. auch nach dem Tod eines Gründungsgesellschafters andere, nachrückende Gesellschafter die Möglichkeit haben, die Gesellschaft mit den entsprechenden Mehrheitsquoten vollständig aufzulösen. Eine vergleichbare Möglichkeit besteht für die dem Stifter nachfolgenden Begünstigten der Stiftung regelmäßig nicht. Vielmehr ist es allein eine Entscheidung der Stiftungsorgane, die zumeist von den Begünstigten personenverschieden sind, die Stiftung aufzulösen, ggf. sogar nur vorbehaltlich einer entsprechenden Anerkennung durch öffentlich-rechtliche Institutionen.
Zu den verschiedenen denkbaren Unterarten einer Stiftung gehört auch die Familienstiftung. Gerade für sie besteht im Inland nach der Neufassung des Stiftungsrechts zum 1.9.2002 in § 80 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Anerkennung als rechtsfähig. Deshalb wird einzelnen früher einschränkenden landesrechtlichen Vorschriften (z. B. in Brandenburg, NRW, Mecklenburg-Vorpommern) inzwischen wegen des bundeseinheitlich abschließenden Regelungscharakters der Vorschriften der §§ 80, 81 BGB der Charakter als geltendes Recht abgesprochen. Denn Gründe für eine Einschränkung oder ein Verbot der Familienstiftung gibt es gerade nicht; zudem ist gerade bei Familienstiftungen die Staatsaufsicht häufig in den Bundesländern sogar eingeschränkt.
Für den zivilrechtlichen Vorrang der Stiftung nach § 80 BGB gegenüber dem Vertrag zugunsten Dritter ist es unerheblich, ob bei einem Vertrag zugunsten Dritter der Dritte unmittelbar einen eigenen Anspruch erwirbt wie beim echten Vertrag zugunsten Dritter, oder ob beim unechten Vertrag zugunsten Dritter der Schuldner lediglich verpflichtet ist, an einen Dritten zu leisten, ohne dass der Dritte einen Anspruch auf die Leistung erwirbt.
b) Unzulässigkeit des Übergehens der Besteuerungstatbestände für Stiftungen im ErbStG
aa) Kein sachlicher Bezug zu § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG
Die tatbestandliche Erfassung von Ausschüttungen aus einer Stiftung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG erscheint nicht zulässig. Ein Vertrag ist wie im Zivilrecht auch bei § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht entbehrlich, weshalb z. B. auch die den Hinterbliebenen aufgrund gesetzlicher Vorschriften zu...