Auf der Bewertungsebene hat die Reform im Wesentlichen zwei Neuerungen gebracht, den rückwirkend für Erwerbe beginnend ab dem 1.1.2016 für das vereinfachte Ertragswertverfahren nach §§ 199 ff BewG anzuwendenden Kapitalisierungsfaktor von 13,75 (§§ 203 Abs. 1, 205 Abs. 11 BewG) sowie eine Vervielfältigung der notwendigen Identifikationen und Bewertungen von Vermögenswerten.
I. Unternehmenswert
Entgegen der eingangs erwähnten selbst auferlegten Beschränkung, verfassungsrechtliche Fragen weitestgehend auszuklammern, sei auf das Problem der rückwirkenden Anwendung des offenbar als arithmetischen Mittels zwischen 12,5 und 15 entstandenen Kapitalisierungszinssatzes von 13,75 hingewiesen. Der Gesetzgeber war der Meinung, dass die Absenkung des bisher gültigen Kapitalisierungsfaktors von 17,857 allein zugunsten des Steuerpflichtigen wirke und daher verfassungsrechtlich unproblematisch sei. Dabei wurde übersehen, dass die Absenkung des Unternehmenswerts durch die Reduzierung des Kapitalisierungsfaktors die Quote des im Substanzwertverfahren ermittelten Verwaltungsvermögens ansteigen lässt. Wegen der rückwirkenden Anwendung des neuen Kapitalisierungsfaktors kann daher die bisher zu gewährende Verschonung wegen Überschreitung der einschlägigen Quote des Verwaltungsvermögens nachträglich verloren gehen. Überträgt man die Rechtsprechung des BVerfG zur echten Rückwirkung bei der Einkommensteuer auf die Erb- bzw. Schenkungsteuer als Stichtagsteuer (§§ 9, 11 ErStG), so ist mE insoweit von einer echten Rückwirkung auszugehen.
Von dem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze bestehen jedoch Ausnahmen. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze und gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte. Auch wenn man die sehr hohen Anforderungen zugrunde legt, die das BVerfG an die Qualität der Prognosen der Steuerpflichtigen im Bereich der Grunderwerbsteuer stellt, muss das Vertrauen auf den Bestand des geltenden Bewertungsrechts jedenfalls für den Zeitraum bis zum 30.6.2016 anerkannt werden. Denn die Unternehmensbewertung wurde vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 17.12.2014 nicht beanstandet. Für die Steuerpflichtigen bestand daher kein Anlass zu vermuten, der Gesetzgeber werde im Rahmen der Umsetzung dieser Entscheidung die Bewertung in einer Weise verändern, die sich in konkreten Fällen zulasten der Steuerpflichtigen auswirken kann. Im Rahmen eines Reparaturgesetzes sollte den betroffenen Steuerpflichtigen daher ein Wahlrecht eingeräumt werden, für Erwerbe zwischen dem 1.1. und dem 30.6.2016 zu entscheiden, ob der bisherige oder der neue Kapitalisierungsfaktor Anwendung finden soll.
II. Weitere notwendige Identifikationen und Bewertungen
Neu ist die Verbundvermögensaufstellung nach § 13 b Abs. 9 ErbStG, die an die Stelle der vom BVerfG beanstandeten "Alles oder Nichts"-Betrachtung getreten ist. Auch im Fall des bei kleinen und mittelständischen Unternehmen häufig anzutreffenden Sonderbetriebsvermögens sind bei den Vermögenswerten gem. A. II. 3 bis 8 der Roadmap Gesamtbetrachtungen in Form von Verbundvermögensaufstellungen vorzunehmen.
Ebenfalls neu ist die Ermittlung des Abfindungsguthabens und des Ausschüttungsvolumens als Prüfkriterien, ob der Vorab-Abschlag nach § 13 a Abs. 9 ErbStG gewährt wird. Dieser Abschlag wurde vom Gesetzgeber nicht auf der Bewertungsebene durch eine Änderung von § 9 Abs. 3 BewG, sondern derjenigen der Ermittlung der Bemessungsgrundlagen vorgesehen (vgl. B. I. 5 der Roadmap). Zwar hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 7.11.2006 gefordert, dass auf der ersten Ebene der Bewertung eine einheitliche Verkehrswertermittlung zu erfolgen hat. Die dogmatisch ungenaue Verortung des Bewertungsabschlags in § 13 a Abs. 9 ErbStG dürfte aber gleichwohl verfassungsrechtlich unbedenklich sein.
III. Antrag nach § 28 a ErbStG
Entscheidet sich der Steuerpflichtige bei Großerwerben über 26 Mio. EUR für die Verschonungsbedarfsprüfung, muss als Voraussetzung des (Teil-)Erlasses der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer das verfügbare Vermögen in seiner vorhandenen Zusammensetzung und derjenigen innerhalb eines Zeitraums von 10 Jahren nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Steuer ermittelt und bewertet werden (§ 28 a Abs. 2, Abs. 4 Nr. 3 ErbStG). Daraus ergibt sich die, jedenfalls bei der Erbschaftsteuer, bisher nicht bekannte Notwendigkeit der Erfassung und Bewertung der Vermögensverhältnisse des Steuerpflichtigen.