I. Verschonungskonzept
1. Erwerbe bis einschließlich 26 Mio. EUR
Ausgangspunkt des Verschonungskonzepts ist der Wert des begünstigten Vermögens, wobei hierunter mE derjenige vor dem nicht bestandenen Gesellschaftsvertragstest, alternativ derjenige nach dem bestandenen Gesellschaftsvertragstest nach B I. 5. zu verstehen ist.
Dieser Wert ist mit den Vorerwerben begünstigten Vermögens nach § 13 c Abs. 2, § 37 Abs. 12 ErbStG zu addieren. Auch insoweit stellt sich die Rückwirkungsproblematik, da nach bisherigem Recht behandelte Erwerbe über die Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG hinaus mit solchen ab dem 1.7.2016 zusammen erfasst werden. So jedenfalls ist mE § 37 Abs. 12 zu verstehen. Dabei dürfte es sich um einen Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung handeln, bei der eine Rechtsnorm Rückbewirkungen von Rechtsfolgen entfaltet, wenn der Beginn ihres zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt festgelegt wird, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm rechtlich existent, d. h. gültig geworden ist. Eine solche Rückbewirkung von Rechtsfolgen wird vorrangig an den allgemeinen rechtstaatlichen Grundsätzen, insbesondere des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit, gemessen. Da die völlige Veränderung des Erbschaftsteuergesetzes bis hin zu einer noch deutlicheren Erhöhung der Belastungen im Ermessen des Gesetzgebers stand, ist diese tatbestandliche Rückanknüpfung – so ärgerlich sie auch für die Praxis sein mag – verfassungsrechtlich mE nicht zu beanstanden.
Ausgehend von der Addition des aktuellen übergegangenen begünstigten Vermögens mit den früheren Erwerben iSv § 37 Abs. 12 ErbStG, eröffnet sich die normative Weichenstellung der Verschonung, die abhängig von der insoweit zugrunde zu legenden Bezugsgröße durch die vom Steuerpflichtigen vorzunehmende Weichenstellung ergänzt wird. Liegt der addierte Erwerb von begünstigtem Vermögen nach § 13 c Abs. 1 ErbStG bei höchstens 26 Mio. EUR, kann der Erwerber zwischen der bisher bekannten Regelverschonung von 85 % bzw. der Optionsverschonung von 100 % wählen. Im Rahmen der Regelverschonung wird die bisherige Konzeption beibehalten. Bei der Optionsverschonung wurde die weitere Voraussetzung eingefügt, dass die Verwaltungsvermögensquote nach § 13 a Abs. 10 S. 2 ErbStG nicht mehr als 20 % betragen darf.
Die weiteren Voraussetzungen – also keine Weitergabe – und Einhaltung der Mindestlohnsumme sowie der Behaltensregelungen zur Vermeidung der Nachsteuer müssen eingehalten werden, wobei sich Änderungen bei der Zahl der Beschäftigten und hiervon abhängig der einzuhaltenden Prozentsätze ergeben haben.
2. Großerwerbe über 26 Mio. EUR
Unter Großerwerben versteht der Gesetzgeber den Erwerb begünstigten Vermögens im Wert von addiert mehr als 26 Mio. EUR (§ 13 c Abs. 1 ErbStG). In diesen Fällen hat der Erwerber zunächst die Wahlmöglichkeit zwischen den abschmelzenden Verschonungsabschlägen von 85 % bzw. 100 % (§ 13 c Abs. 1 ErbStG) in der Abschmelzzone zwischen 26 Mio. EUR und 90 Mio. EUR. Alternativ kann er die Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28 a ErbStG beantragen.
a) Abschmelzender Verschonungsabschlag
§ 13 c Abs. 1 ErbStG enthält eine Freigrenze bei einem Wert des begünstigten Vermögens von mehr als 26 Mio. EUR in dem Sinne, dass ab diesem Wert die alternativen Verschonungsabschläge von 85 % bzw 100 % nicht mehr vollständig gewährt werden, sondern sich in den Abschmelzzonen bis 89.750.000 EUR (Regelverschonung) bzw. 90.000.000 EUR (Optionsverschonung, vgl. § 13 c Abs. 1 S. 2 ErbStG) für den Gesamterwerb nach Maßgabe dieser Vorschrift reduzieren. Aus der nachstehenden Übersicht ergibt sich, dass die Verschonungsabschläge eher abstürzen als abschmelzen, wobei der Grundstruktur entsprechend eine unwiderrufliche Erklärung erforderlich ist, um die Optionsverschonung in Anspruch nehmen zu können.
Schaubild: Abschmelzung Regel- und Optionsverschonung
Eine eventuelle Nachversteuerung erfolgt in entsprechender Anwendung der bekannten Regelungen.
b) Verschonungsbedarfsprüfung
aa) Antrag
Alternativ zu dem nach § 13 c Abs. 2 S. 6 ErbStG unwiderruflichen Antrag auf Gewährung des abschmelzenden Verschonungsabschlags, kann der Erwerber den widerruflichen Antrag auf Erlass der auf das begünstigte Vermögen entfallenden Steuer im Rahmen der Verschonungsbedarfsprüfung nach § 28 a ErbStG stellen.
bb) (Teil-)Erlass
Unter der allgemeinen Voraussetzung, dass keine Weitergabeverpflichtung besteht (§ 28 a Abs. 1 S. 2, 3 ErbStG), ist dem Erwerber – ohne Ermessensspielraum – die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuer zu erlassen, soweit er nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, di...