Fall 9 (Nießbrauchsvermächtnis): E hat V einen Nießbrauch an seinem "Mietshaus" vermacht. Das betreffende Grundstück ist grundpfandrechtlich belastet. Rechtslage?
Mit dem Erbfall hat V gegen den Erben einen Anspruch auf Einräumung des Nießbrauchs an dem Grundstück erworben. Der Nießbrauch ist ein unvererbliches, unübertragbares dingliches Recht mit dem Inhalt, eine Sache in Besitz zu nehmen, zu verwalten, zu bewirtschaften und sämtliche Nutzungen an der Sache zu ziehen (§§ 1030 Abs. 1, 1036, 1059, 1061 BGB). Leistungspflichten des Eigentümers bestehen nicht. Der Nießbrauch ist insoweit ein beschränkt-dingliches Recht.
Der Erbe ist aus § 2174 BGB verpflichtet, den vermachten Nießbrauch durch Einigung und Eintragung in das Grundbuch zu bestellen, §§ 873, 1030 BGB. Gegenstand des Nießbrauchs kann neben einer Sache (§§ 1030–1067 BGB), einem Recht (§§ 1068–1084 BGB), einem Vermögen (§§ 1085–1088 BGB) auch eine Erbschaft als Sachgesamtheit (§ 1089 BGB) sein. Nach § 1066 BGB kann der Nießbrauch auch an einem Bruchteil gebildet sein. Daneben kann der Nießbrauch auch quotal an dem gesamten Gegenstand eingeräumt werden (Quotennießbrauch).
Der Nießbraucher darf die Sache nicht umgestalten oder sonst wesentlich verändern, § 1037 Abs. 1 BGB. Er muss sie nach den Regeln der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung in ihrem wirtschaftlichen Bestand erhalten, § 1036 Abs. 2 BGB. Die dabei auftretende Abnutzung hat der Nießbraucher nicht zu vertreten, § 1050 BGB. Die gewöhnlichen Erhaltungskosten hat der Nießbraucher zu tragen, § 1041 BGB. Der Nießbrauch besteht auch bei einer Zerstörung des Gebäudes fort.
Der Nießbraucher hat auch auf der Sache ruhende öffentliche und private Lasten zu tragen, § 1047 BGB. Dies gilt auch für die Zinsen von grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen, § 1047 BGB. Im Fall bedeutet dies, dass der Kapitaldienst zwischen V (Zinsen) und E (Tilgung) aufzuteilen ist. Zur Streitvermeidung empfiehlt es sich, dass der Erblasser auch die Höhe der jährlich notwendigen Tilgung regelt, da E und V insoweit gegensätzliche Interessen haben.
Fall 10 (Württemberger Modell – Nießbrauch-TV-Lösung): E hatte seiner Frau F einen Nießbrauch an seinem Gesamtnachlass vermacht. Zugleich hatte E die F als Testamentsvollstreckerin eingesetzt. Erbe ist Sohn S. F hat in der Folgezeit einige Nachlassgegenstände veräußert und durch andere ersetzt.
Die Kombination von Nießbrauch und Testamentsvollstreckung wurde als Alternative zu einer Vor- und Nacherbenlösung entwickelt. Bei einer solchen unterliegt der Vorerbe weitgehenden Verwaltungsbeschränkungen, der Nacherbe hat eingeschränkte Informationsrechte, § 2121 BGB. Als Testamentsvollstreckerin hat F hingegen eine weitgehendere Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis, §§ 2205, 2216 BGB. Auch die Auskunftsansprüche des Erben sind umfassender, §§ 2218, 666 BGB. Hauptvorteil ist aber die Vermeidung einer Doppelbesteuerung, wie sie bei der Nacherbschaft oder der Schlusserbschaft beim gemeinschaftlichen Testament erfolgt. Soweit es zu einem Wechsel im Nachlassbestand gekommen ist, greift eine dingliche Surrogation am Erlös ein, § 2041 BGB.
Fall 11 (Wohnrechtsvermächtnis): E hat testamentarisch seiner Lebensgefährtin L "auf Lebenszeit ein unentgeltliches Wohnrecht an seinem Haus, Grundbuch von …, Bd. …, FlSt. … an den Räumen im 1. OG, bestehend aus Schlafzimmer, Wohnzimmer, zwei Zimmern und Bad und WC unter Mitnutzung der zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmten Einrichtungen und Anlagen" eingeräumt. L fragt an, ob dieses Nutzungsrecht im Fall der Veräußerung der Immobilie fortbestehen wird.
Zu unterscheiden sind ein schuldrechtliches Nutzungsrecht, welches nur gegenüber dem Verpflichteten gilt, und ein dingliches Nutzungsrecht, welches als Belastung nach den §§ 873, 1093 BGB gegenüber dem jeweiligen Eigentümer wirkt. Auch wenn man erwägen kann, auf das schuldrechtliche Nutzungsrecht aufgrund der Mietähnlichkeit § 566 BGB anzuwenden, ergibt doch die Auslegung im Regelfall, dass ein dingliches Wohnungsrecht zugewendet werden soll, weil dieses dem Wortlaut ("an") und dem zum Ausdruck gebrachten Absicherungswillen eher entspricht.
Dabei hat L einen Anspruch auf Bestellung des dinglichen Wohnungsrechts durch Einigung und Eintragung im Grundbuch, § 873 BGB. Der Erbe muss hierfür eine Bewilligung nach § 19 GBO abgeben. Den Eintragungsantrag kann L selber stellen, § 13 Abs. 1 S. 2 GBO. Es ist aber eine Voreintragung des Erben nach § 39 GBO erforderlich. L kann dem Nachlassgericht und dem Grundbuchamt entsprechende Hinweise zukommen lassen, damit die auf die Voreintragung hinwirken, § 83 GBO.
Die Kosten der Begründung des Wohnrechts hat der Erbe zu tragen, soweit nicht der Erblasser anders verfügt hat. Vor der Eintragung im Grundbuch besteht das dingliche Wohnrecht noch nicht. Es ist aber die letztwillige Verfügung in der Regel dahingehend auszulegen, dass der Begünstigte im Vorfeld der Bestellung bereits ein schuldrechtliches Nutzungsrecht an den Räumen zusteht.
Mit der Zerstörung der Räum...