Umstritten ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob es für eine Durchgriffshaftung ausreicht, wenn die Dürftigkeitseinrede oder die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit auf den Nachlass theoretisch besteht oder ob es erforderlich ist, dass die Einrede tatsächlich erhoben bzw. die Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz tatsächlich beantragt wurde. Die Meinungen hierzu sind unterschiedlich.
a) Die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung ist ausreichend
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für die Haftungsbeschränkung genüge und eine tatsächliche Geltendmachung der Einrede oder Haftungsbeschränkungsmaßnahme nicht erforderlich ist. Teilweise wird dies damit begründet, dass zu unterstellen sei, dass der Erbe von der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auch tatsächlich Gebrauch machen werde. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Einrede erhoben wird ist demnach so groß, dass dies, auch im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung, unterstellt werden kann.
b) Es bedarf einer konkreten Haftungsbeschränkungsmaßnahme
Nach aA ist das bloße Vorliegen der Voraussetzungen zur Erhebung der Einrede nicht ausreichend. Es bedarf vielmehr einer konkreten Geltendmachung der Einrede bzw. der Haftungsbeschränkungsmaßnahme. Dies wird weitest gehend damit begründet, dass eine pauschale Unterstellung einer möglichen Geltendmachung nicht haltbar ist, denn die Haftung des Erben für die Nachlassverbindlichkeit bleibt – auch mit seinem Privatvermögen – bestehen, solange keine Haftungsbeschränkung tatsächlich erfolgt.
c) Die Auffassung des BGH (Urteil vom 19.3.1981)
Soweit ersichtlich berufen sich diejenigen, die allein das Bestehen der Haftungsbeschränkungsmaßnahme als ausreichend erachten, auf die Entscheidung des BGH vom 19.3.1981. In der Entscheidung ging es um einen Pflichtteilsergänzungsanspruch eines Miterben (Tochter und Mutter sind zu je 1/2 Miterben) gegen den von der Erbfolge durch Erbverzicht ausgeschiedenen beschenkten Sohn des Erblassers (Bruder der Klägerin). Der Nachlass der auf die Ehefrau und die Tochter überging bestand unstreitig aus wertlosem Inventar.
Der BGH führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass der pflichtteilsberechtigte Miterbe ebenso wie der pflichtteilsberechtigte Alleinerbe in die Situation kommen könne, dass sie einen wertlosen Nachlass erhalten, der zur Pflichtteilsbegleichung nicht ausreicht. Beide Fälle müssen daher nach Auffassung des BGH gleich behandelt werden, sodass ebenso wie der pflichtteilsberechtigte Alleinerbe auch die zu kurz gekommenen pflichtteilsberechtigten Miterben in entsprechender Anwendung des § 2329 Abs.1 Satz 2 BGB direkt gegen den Beschenkten vorgehen können.
Weiter führt der BGH aus, dass in dem vorliegenden Fall der pflichtteilsberechtigte Miterbe gegen den anderen Miterben primär seinen Anspruch erheben könne, sich dieser aber sogleich auf die Dürftigkeitseinrede und das Leistungsverweigerungsrecht nach § 2328 BGB berufen könne. Wörtlich führt der BGH aus, dass "es sich dabei um geltend zu machende Einreden handelt" in einem solchen Fall aber "unbedenklich davon ausgegangen werden" kann, dass der in Anspruch genommene Miterbe sich darauf beruft.
Ob daraus die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass allein das Bestehen der Einrede die Durchgriffshaftung begründet, mag dahinstehen. Jedenfalls für die Fälle, in denen tatsächlich kein wertmäßiger Nachlass vorhanden ist, sieht der BGH dies als ausreichend an.
Daneben gibt es eine Vielzahl von Entscheidungen des BGH, die in diesem Zusammenhang zitiert und diskutiert werden, bei denen es aber um Sachverhalte ging, in denen die Dürftigkeitseinreden erhoben wurden.
d) OLG Stuttgart (Urteil vom 10.8.2000)
Das OLG Stuttgart führt in seiner Urteilsbegründung aus, dass es für die Frage, ob das Bestehen oder erst das konkrete Geltend machen der Einrede die Durchgriffshaftung auf den Beschenkten begründet, auf den Einzelfall abzustellen ist. In dem Urteil des OLG Stuttgart ging es um die streitige Frage, ob sich in dem Nachlass des Erblassers eine Darlehensforderung befand, mit der ggfs. gegen den Pflichtteilsergänzungsanspruch hätte aufgerechnet werden können. In einem solchen Fall hätte der Pflichtteilsberechtigte nach Auffassung des OLG darlegen müssen, dass er den Pflichtteilsergänzungsanspruch gegen den Erben geltend gemacht und dieser die Einrede nach § 2328 BGB erhoben hat.
e) OLG Zweibrücken (Urteil vom 25.6.1976)
Das OLG Zweibrücken hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass in dem Fall, dass alle Pflichtteilsberechtigten in Höhe ihrer gesetzlichen Erbquote zu Erben berufen wurden und die wegen einer Schenkung an einen Dritten untereinander nic...