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Die Geltendmachung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs erfolgt grundsätzlich gegenüber dem Erben. Er ist Schuldner hinsichtlich des Pflichtteils- als auch des Pflichtteilsergänzungsanspruchs. Nur für den Fall, dass der Erbe zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs nicht verpflichtet ist, haftet nach § 2329 BGB der Beschenkte. Umstritten ist dabei, wann der Erbe nicht verpflichtet ist, insbesondere ist fraglich, ob der Erbe mögliche Haftungsbeschränkungen konkret geltend machen muss oder ob es für die Durchgriffshaftung ausreichend ist, dass die theoretische Möglichkeit einer Geltendmachung besteht.
A. Allgemeines
Der Pflichtteilsergänzungsanspruch ist seinem Wesen nach ein Pflichtteilsanspruch und zwar auch dann, wenn er subsidiärer Art ist. Für ihn gelten grundsätzlich – soweit mit der Eigenart vereinbar – auch die pflichtteilsrechtlichen Bestimmungen. Während es sich beim Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Erben um einen Zahlungsanspruch handelt, ist der Anspruch gegenüber dem Beschenkten lediglich ein bereicherungsrechtlicher Herausgabeanspruch. Es handelt sich also um zwei verschiedene Ansprüche.
Für die Haftung gilt, dass den Erben eine primäre Haftung trifft. Der Erbe haftet grundsätzlich für den ordentlichen als auch für den außerordentlichen Pflichtteilsanspruch nach § 2325 BGB. Er ist daher Schuldner des Gesamtpflichtteils. Nur in dem Fall, in dem er nicht zur Erfüllung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs verpflichtet ist, besteht eine sogenannte Durchgriffshaftung auf den Beschenkten nach § 2329 BGB.
Umstritten ist in Rechtsprechung und Literatur, wann die Voraussetzungen der Durchgriffshaftung gegeben sind, wenn der Erbe die Dürftigkeitseinrede des Nachlasses (oder des § 2328 BGB) erheben könnte, dies aber tatsächlich unterlässt.
Strittig ist auch die Frage, ob der Pflichtteilsberechtigte in den Fällen der Zahlungsunfähigkeit des Erben oder in dem Fall der Verjährung des Anspruchs gegenüber dem Erben eine Durchgriffshaftung auf den Beschenkten hat. Zum zuletzt genannten Fall hat jüngst das LG Stuttgart in seinem Urteil vom 15.6.2018 entschieden, dass die Verjährung von Ansprüchen gegen den Erben kein Fall der "Nichtverpflichtung" im Sinne von § 2329 BGB darstellt.
B. Der Durchgriff auf den Beschenkten
1. Keine "Verpflichtung" des Erben
Nach dem Wortlaut des § 2329 BGB haftet der Beschenkte für den Pflichtteilsergänzungsanspruch, wenn der Erbe "nicht verpflichtet ist". Es bedarf hierfür nach hM eines Haftungsausfalls des Erben, damit der Pflichtteilsberechtigte auf den Beschenkten durchgreifen kann.
Ein Haftungsausfall des Erben iSd § 2329 Abs. 1 BGB kann vorliegen, wenn die Voraussetzungen der §§ 1975 ff, 1990, 1991 Abs. 4, 2060 BGB oder § 327 InsO gegeben sind oder wenn die Erben ihre Haftung gem. § 2328 BGB beschränken können.
2. Tatsächlicher oder "theoretischer" Haftungsausfall
Umstritten ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob es für eine Durchgriffshaftung ausreicht, wenn die Dürftigkeitseinrede oder die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit auf den Nachlass theoretisch besteht oder ob es erforderlich ist, dass die Einrede tatsächlich erhoben bzw. die Nachlassverwaltung oder Nachlassinsolvenz tatsächlich beantragt wurde. Die Meinungen hierzu sind unterschiedlich.
a) Die Möglichkeit einer Haftungsbeschränkung ist ausreichend
Teilweise wird die Auffassung vertreten, dass das Vorliegen der Voraussetzungen für die Haftungsbeschränkung genüge und eine tatsächliche Geltendmachung der Einrede oder Haftungsbeschränkungsmaßnahme nicht erforderlich ist. Teilweise wird dies damit begründet, dass zu unterstellen sei, dass der Erbe von der Möglichkeit der Haftungsbeschränkung auch tatsächlich Gebrauch machen werde. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Einrede erhoben wird ist demnach so groß, dass dies, auch im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung, unterstellt werden kann.
b) Es bedarf einer konkreten Haftungsbeschränkungsmaßnahme
Nach aA ist das bloße Vorliegen der Voraussetzungen zur Erhebung der Einrede nicht ausreichend. Es bedarf vielmehr einer konkreten Geltendmachung der Einrede bzw. der Haftungsbe...