Leitsatz
Im Rahmen der Festsetzung der Jahresgebühr des Betreuungsgerichts ist der volle Wert des ererbten Vermögens zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn das Vermögen dem Betreuten nur als Vorerben angefallen ist und es mittels Dauertestamentsvollstreckung gemäß § 2209 BGB von einem Testamentsvollstrecker verwaltet wird (Festhaltung an der Senatsrechtsprechung, Bes. v. 18. August 2015 – 15 Wx 203/15, FGPrax 2015, 278)
OLG Hamm, Beschl. v. 27.8.2020 – 15 W 212/20
1 Tatbestand
I. Für die Beteiligte zu 1) besteht seit dem Jahre 2011 eine umfassende gesetzliche Betreuung, die auch den Aufgabenkreis "Vermögensangelegenheiten" umfasst. Die Betreuung wird durch ihre zwei Schwestern geführt.
Am 16.5.2018 verstarb der Vater der Beteiligten zu 1). Die Mutter der Beteiligten zu 1) war vorverstorben. Mit notariellem Testament vom 17.2.2012 hatte der Vater der Beteiligten zu 1) diese neben ihren zwei Schwestern und ihrem Bruder als Erbin zu ¼ eingesetzt, gleichzeitig jedoch angeordnet, dass sie nur Vorerbin sein solle und ihr Erbteil einer Dauertestamentsvollstreckung unterliegen solle.
Unter Punkt 3 des notariellen Testaments traf der Erblasser Anordnungen, wie die Testamentsvollstreckung durchzuführen sei und welche Leistungen der Testamentsvollstrecker der Beteiligten zu 1) jährlich zuzuwenden habe.
Der Wert des der Beteiligten zu 1) zugefallenen Nachlasses beläuft sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts und des Landgerichts auf 71.818,34 EUR.
Mit Kostenrechnung vom 11.12.2019, dem der Kostenansatz vom 10.12.2019 zugrunde lag, setzte die Kostenbeamtin beim Amtsgericht Tecklenburg die Jahresgebühr für die Führung der Dauerbetreuung nach KV Nr.11101 GNotKG in Höhe von 200 EUR an. Die Kostenbeamtin ging dabei von einem für die Gebührenberechnung zu berücksichtigenden Vermögen der Beteiligten zu 1) in Höhe von 76.968,00 EUR aus. Daneben setzte die Kostenbeamtin nach KV Nr.31005 einen Betrag von 20 EUR für ein Sachverständigengutachten an.
Auf die von der Beteiligten zu 1) eingelegte Erinnerung gegen diesen Kostenansatz hat das Amtsgericht durch die zur Entscheidung berufene Betreuungsrichterin den der Kostenrechnung vom 11.12.2019 zugrunde liegenden Kostenansatz vom 10.12.2019 aufgehoben.
Die gegen den amtsgerichtlichen Beschluss gerichtete Beschwerde der Beteiligten zu 2) vom 27.1.2020 hat das Landgericht Münster mit Beschluss vom 12.5.2020 zurückgewiesen und die weitere Beschwerde zugelassen.
Der am 26.5.2020 eingegangenen weiteren Beschwerde vom 25.5.2020 hat das Landgericht mit Beschluss vom 28.5.2020 nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Gründe
II. Die weitere Beschwerde ist aufgrund der Zulassung nach § 81 Abs. 4 S. 1 GNotKG zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet und führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen. Die Erinnerung der Beteiligten zu 1) gegen den der Kostenberechnung vom 11.12.2019 zugrunde liegenden Kostenansatz vom 10.12.2019 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung des Landgerichts, nach der für die Dauerbetreuung im Jahre 2019 keine Gebühr nach KV Nr.11100 GNotKG und keine Gebühr nach KV Nr.31005 anzusetzen sind, beruht auf einer Verletzung des Rechts (§ 81 Abs. 4 S. 2 GNotKG).
Gebühren für Betreuungssachen können nach KV Vorbemerkung 1.1 GNotKG nur dann von dem Betreuten erhoben werden, wenn dessen Vermögen nach Abzug der Verbindlichkeiten mehr als 25.000 EUR beträgt, wobei der in § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII genannte Vermögenswert nicht mitgerechnet wird. Diese Regelung entspricht der Regelung in § 92 Abs. 1 S. 1 KostO, die bis zum 31.7.2013 Geltung hatte. Vermögen im Sinne der KV Vorbemerkung 1.1 GNotKG ist das "reine Vermögen" des Betreuten nach Abzug der Verbindlichkeiten und unter Nichtberücksichtigung eines angemessenen Hausgrundstücks im Sinne des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII.
Das Landgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Beteiligten zu 1) nach Abzug von Verbindlichkeiten kein 25.000 EUR übersteigendes Vermögen zusteht und der Ansatz von Gebühren nach Vorbemerkung 1.1 Abs. 1 des KV zum GNotKG daher nicht in Betracht kommt. Dabei hat das Landgericht das der Beteiligten zu 1) als Vorerbin zugefallene Vermögen in Höhe von 71.818,34 EUR nicht berücksichtigt, da dieses Vermögen nicht der vom Betreuungsgericht zu kontrollierenden Verwaltung des Betreuers unterliege, sondern derjenigen des Testamentsvollstreckers (ebenso: OLG München, MDR 2019, 353; OLG Köln, FGPrax 2019, 235; OLG Bamberg, FamRZ 2020, 947).
Der Senat hat in seiner Grundsatzentscheidung vom 18.8.2015 (FGPrax 2015, 278) ausgeführt, dass auch der als nicht befreiter Vorerbe eingesetzte Erbe Inhaber des ererbten Vermögens ist. An der Berücksichtigung des ererbten Vermögens im Rahmen des Ansatzes der Jahresgebühr für die Betreuung ändere auch die Tatsache nichts, dass das ihm angefallene Vermögen einer Testamentsvollstreckung unterliegt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat ebenso wie weitere Oberlandesgerichte fest (OLG Celle, FamRZ 2020, 949; OLG Stuttgart, Beschl. v. 2.4.2020, 8 W 434/19).
In seinem oben angeführten Besc...