1. Zur Auslegung eines gemeinschaftlichen Testaments, in dem sich die Ehegatten eine Änderung der Schlusserbeneinsetzung ihres einzigen Kindes auch für den Fall vorbehalten hatten, dass es "mit unserem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommt".

2. Zu den tatsächlichen Voraussetzungen einer auf einen solchen Widerrufsvorbehalt gestützten Änderungsberechtigung des letztverstorbenen Elternteils, wenn in der Neutestierung des überlebenden Ehegatten das Vorliegen von "familiären Zuwiderhandlungen" im Wesentlichen mit der mangelnden Kontaktpflege des Sohnes begründet wird.

3. Unabhängig davon, welche gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten über Art und Ausmaß eines nicht mehr tolerablen Störverhaltens ihres Sohnes zu einem solchen Widerrufsvorbehalt geführt haben, gehört die von den Eheleuten damit übereinstimmend verfolgte Zielsetzung zu den tatbestandlichen Voraussetzungen der Änderungsklausel mit der Folge, dass der überlebende Ehegatte hieran eben auch in Bezug auf die Beweggründe gebunden ist, von denen er sich bei der Ausübung seiner Änderungsbefugnis leiten lässt.

4. Es liegt offenkundig jenseits dieser übereinstimmenden Zielsetzung der Ehegatten, wenn der Erblasser nach dem Tod der Ehefrau eine derartige Änderungsklausel ausschließlich bzw. vorrangig dazu nutzen will, nunmehr zur hälftigen Miterbin (neben dem Sohn) seine langjährige Lebensgefährtin zu berufen, mit der er bereits wenige Jahre nach dem gemeinschaftlichen Testament eine außereheliche Beziehung eingegangen war, welche – voraussehbar – auch zu einem tiefgreifenden Konflikt zwischen dem Erblasser und seinem Sohn geführt hatte.

OLG Bamberg, Beschl. v. 9.10.2020 – 3 W 43/20

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