a) Position des Vorvermächtnisnehmers
Der von Todes wegen begünstigte, behinderte Angehörige erhält nach der Vermächtnislösung ein Vorvermächtnis am Nachlass, das zumindest der Höhe nach seinem Pflichtteil entsprechen muss. Der Behinderte wird damit gerade nicht Gesamtrechtsnachfolger gem. § 1922 BGB und auch nicht Mitglied einer Erbengemeinschaft. Stattdessen erhält er einen schuldrechtlichen Anspruch gegen den Nachlass auf Erfüllung des Vermächtnisses, §§ 2147 S. 1, 2174 BGB. Das Vermächtnis ist als Vorvermächtnis ausgestaltet, wobei das Nachvermächtnis mit dem Tod des Vorvermächtnisnehmers anfällt, § 2191 BGB.
Nach § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis ausschlagen und den (unbelasteten) Pflichtteil verlangen. Nimmt er das Vermächtnis hingegen an, erhält er den Pflichtteil nur in der Höhe, in der sein Anspruch hinter dem Vermächtnis zurückbleibt, § 2307 Abs. 1 S. 2 BGB. In diesem Fall entstünde ein auf den Sozialleistungsträger gem. § 93 Abs. 1 SGB XII überleitbarer Pflichtteilsrestanspruch.
Die Beantwortung der Frage, ob das Vermächtnis den Pflichtteil nur erreichen oder übersteigen muss, entspricht der eingangs im ersten Teil dieses Aufsatzes dargestellten Diskussion zum Umfang der Vorerbenstellung in der Vor- und Nacherbschaftskonstruktion. Dogmatisch genügt es an sich, wenn das Vermächtnis zum Wohl des Behinderten ausgestaltet ist und lediglich der Pflichtteil erreicht wird. Rechtssicherer ist es allerdings, das Vermächtnis oberhalb des Pflichtteilsanspruchs anzuordnen. Sofern mögliche Pflichtteilsergänzungsansprüche nicht separat geregelt werden, wird ein Quotenvermächtnis i.H.v. 110 % des Gesamtpflichtteils empfohlen. In allen anderen Fällen genügt auch ein geringeres Vermächtnis, solange es über der Pflichtteilsgrenze liegt.
b) Position des Nachvermächtnisnehmers
Der Nachvermächtnisnehmer erwirbt mit Eintritt des Nachvermächtnisfalls (Tod des behinderten Vorvermächtnisnehmers) einen schuldrechtlichen Anspruch auf Erfüllung gegen die Erben des Vorvermächtnisnehmers, §§ 2191 Abs. 1, 2174, 1922 BGB. Die Rechtsstellung des Nachvermächtnisnehmers ist dabei im Vergleich zur Rechtsstellung eines Nacherben deutlich schwächer ausgestaltet. Das Vermächtnisrecht kennt keine den §§ 2113 ff. BGB entsprechenden Verfügungsbeschränkungen. Genauso wenig ist das Anwartschaftsrecht des Nachvermächtnisnehmers vererblich, es sei denn, der Erblasser hat dies letztwillig entsprechend angeordnet oder die Abkömmlinge des weggefallenen Nachvermächtnisnehmers kämen im Wege der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2069 BGB zum Zuge. Die ausdrückliche letztwillige Benennung von Ersatznachvermächtnisnehmern ist bei der Gestaltung eines Behindertentestamentes unbedingt empfehlenswert, da andernfalls bei einem ersatzlosen Wegfall die gesamte Konstruktion zu scheitern drohen würde. Ebenso in der letztwilligen Verfügung regelbar ist bei Vorhandensein von Grundvermögen ein Anspruch des Nachvermächtnisnehmers auf Vormerkungssicherung. Hier gilt es allerdings nach Auffassung der Verfasserin zwischen dem Sicherungsbedürfnis des Nachvermächtnisnehmers und dem Bedürfnis nach Absicherung des behinderten Vorvermächtnisnehmers über einen größeren Handlungsradius des mit der Verwaltung des Vorvermächtnisses betrauten Testamentsvollstreckers abzuwägen. Gerade bei Behindertentestamenten kann es Sinn machen, dem Testamentsvollstrecker im Rahmen seines Ermessens auch Zugriff auf die Nachlasssubstanz zu geben, wenn der Vermächtnisgegenstand nur auf diese Weise zum Wohle des Behinderten verwaltet werden kann.