I. Umgekehrte Vermächtnislösung
1. Regelungsinhalt
Die sog. umgekehrte Vermächtnislösung ist ein Modell, das von Grziwotz entwickelt wurde. Danach wird der behinderte Angehörige als (nicht befreiter) alleiniger Vorerbe eingesetzt. Die weichenden Angehörigen inklusive des Ehegatten/eingetragenen Lebenspartners erhalten Vermächtnisse und werden gleichermaßen Nacherben des behinderten Vorerben. Über den Erwerb von Todes wegen des Behinderten wird wie in den beiden anderen klassischen Modellen der Vor- und Nacherbschaft und der Vermächtnislösung Dauertestamentsvollstreckung (§ 2209 S. 1 BGB) angeordnet. Grziwotz spricht zwar von einer "gegenständlich beschränkten" Vor- und Nacherbschaft. Anzunehmen ist aber, dass das nicht wörtlich zu verstehen ist. Eine lediglich auf einzelne Nachlassgegenstände bezogene Vor- und Nacherbschaft wäre unzulässig. Faktisch führt das Modell aber dazu, dass dem Vorerben lediglich die Vermögenswerte als Vorerbe verbleiben, die nicht Dritten vermächtnisweise zugeordnet werden.
2. Vorteile
Die Vorteile des Modells liegen vor allem darin, dass keine fremdbestimmte Erbengemeinschaft mit all ihren Abwicklungsschwierigkeiten entsteht. Sozialrechtlich erscheint das Modell zunächst ebenfalls unproblematisch.
3. Nachteile
Die umgekehrte Vermächtnislösung birgt diverse Schwächen. Am schwierigsten gestaltet sich das Prognoserisiko der Zusammensetzung des späteren Nachlasses zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Zu umfangreiche Vermächtnisanordnungen zugunsten weichender Familienangehöriger können dazu führen, dass der gesetzliche Vertreter des behinderten Angehörigen die Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB vornimmt, wenn der Restnachlass wertmäßig hinter dem Pflichtteil zurückbleibt. Vorgeschlagen wird hier, den weichenden Angehörigen ein sog. Quotengeldvermächtnis am Nachlass zuzuwenden. Dieses Modell dürfte allerdings dann nicht funktionieren, wenn es dem Erblasser gerade darauf ankommt, bestimmte Vermögenswerte wie bspw. das selbstgenutzte Familienheim oder ein Unternehmen weichenden Angehörigen zukommen zu lassen. Nach Auffassung der Verfasserin wäre in diesen Fällen eher an ein zusätzliches Vorausvermächtnis zugunsten des Vorerben in Form eines Vor- und Nachvermächtnisses und in Höhe des zum Gesamtpflichtteil fehlenden Betrags i.S.e. Aufstockungsvermächtnisses zu denken. Natürlich setzt aber auch dieser Lösungsansatz eine entsprechende Liquidität des Nachlasses voraus. Generell ist die konkrete Zusammensetzung des Nachlasses genau zu betrachten. Sollen bestimmte Vermögenswerte vermächtnisweise zugewendet werden, ist das bereits bei der Gestaltung der letztwilligen Verfügung nicht unproblematisch. An dieser Stelle sei nur an die (häufig fehlerbehaftete) exakte Erfassung aller Bestandteile eines vermächtnisweise zugewendeten Einzelunternehmens in der letztwilligen Verfügung erinnert.
Die Ausgestaltung eines Behindertentestaments in Form der umgekehrten Vermächtnislösung kann daher wohl eher nur im Einzelfall funktionieren. Sie erfordert eine engmaschige Kontrolle der Vermögenszusammensetzung des künftigen Erblassers und birgt für den Berater ein erhebliches Haftungsrisiko, da diese fortlaufende Überwachung in der Praxis kaum gewährleistet werden kann.
II. Kombinationslösung
Vorgeschlagen wird auch, jedenfalls im Rahmen von gemeinschaftlichen letztwilligen Verfügungen bei Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern, das Vermächtnis- und Vor- und Nacherbenmodell miteinander zu kombinieren. Dabei folgt das Modell beim ersten Erbfall der reinen Vermächtnislösung und sieht erst für den zweiten Erbfall die Vor- und Nacherbenlösung vor. Vorteilhaft ist hier, dass jedenfalls der länger lebende Ehegatte/eingetragene Lebenspartner nicht den Abwicklungsschwierigkeiten einer andernfalls entstehenden Erbengemeinschaft ausgesetzt ist. Das dürfte dem Erblasserinteresse nach Absicherung des Partners am meisten entsprechen. Die Nachteile des Modells liegen ansonsten in der nach wie vor nicht abschließend gesicherten sozialrechtlichen Rechtslage bei Anordnung eines Vermächtnisses zugunsten des Behinderten.
III. Trennungslösung
Ein unkonventionelles Modell wird von Litzenburger vorgeschlagen. Danach sollen sich die Eheleute/eingetragenen Lebenspartner beim ersten Erbfall gegenseitig als alleinige (befreite) Vorerben und Dritte, darunter das behinderte Kind, zu Nacherben einsetzen. Kombiniert wird beim behinderten Kind...