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Die auch steuerlich orientierte Nachfolgeberatung tendiert in intakten Ehen dazu, erhebliche Vermögensunterschiede zwischen den Ehepartnern unter Lebenden auszugleichen. So können Freibeträge der Kinder besser genutzt und die Höhe der steuerpflichtigen Erwerbe, mit den damit verbundenen Steuersätzen nach § 19 Abs. 1 ErbStG reduziert werden. Erprobte Mittel der Beratungspraxis sind insoweit Güterstandsänderungen sowie die Zuwendung des Familienheims, die wegen der 10-jährigen Verpflichtung zur Selbstnutzung beim Erwerb von Todes wegen ohnehin unter Lebenden erfolgen sollte (§ 13 Abs. 1 Nr. 4a, 4b ErbStG). Wegen der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt erhöht sich in diesen Fällen trotz der Anrechnung nach § 1374 Abs. 2 BGB das Endvermögen des Empfängers, mit der Folge der Reduzierung seines steuerfreien Zugewinnausgleichs (§§ 1373 – 1383, 1390 BGB, § 5 ErbStG). Wurde der überlebende Ehegatte nach § 2306 BGB insbesondere durch die Einsetzung eines Nacherben belastet, stellt sich vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des EuGH die Frage, ob die h.M. zu den Rechtsfolgen der Ausschlagung nach § 2306 BGB überdacht werden sollte.
I. Wahlrechte und Rechtsfolgen
1. § 2307 BGB
Erhält der überlebende Ehegatte ein – auch minimales – Vermächtnis, so kann er das Vermächtnis annehmen, was über § 2307 BGB zum großen Pflichtteil ohne Zugewinnausgleich führt. Denn § 1371 Abs. 2 BGB greift wegen des Erwerbs des Vermächtnisses nicht ein. Alternativ hierzu kann der überlebende Ehegatte das ihm zugewandte Vermächtnis ausschlagen und den effektiven Zugewinnausgleich sowie den kleinen Pflichtteil verlangen.
In den Fällen des § 2307 Abs. 1 BGB ist also im gesetzlichen Güterstand ein Wahlrecht des überlebenden Ehegatten eröffnet, wirtschaftlich den großen Pflichtteil ohne Zugewinnausgleichsanspruch oder den kleinen Pflichtteil mit Ausgleich des effektiven Zugewinns zu erhalten.
2. § 2306 BGB
Ein solches Wahlrecht besteht in den Fällen des § 2306 BGB nach h.M. nicht. Der überlebende Ehegatte ist danach auf die Alternative beschränkt, die Erbschaft mit den in § 2306 BGB enthaltenen Beschränkungen und Beschwerungen anzunehmen oder sie auszuschlagen mit der Folge, dass er den Ausgleich des effektiven Zugewinns und nur den kleinen Pflichtteil erhält.
II. Eigener Ansatz
M.E. sollte überlegt werden, die Rechtsfolgen anzugleichen. Für die Fälle des § 2306 BGB würde das bedeuten, dem i.S.d. Vorschrift belasteten Ehepartner ein doppeltes Wahlrecht einzuräumen. Zunächst kann er, und das entspricht der ganz h.M., entscheiden, ob er die in § 2306 BGB aufgeführten Belastungen akzeptiert oder sich von ihnen durch Ausschlagung befreit. Im Anschluss ist ihm das weitere Wahlrecht einzuräumen mit der h.M. nach § 1371 Abs. 2 BGB den Ausgleich des effektiven Zugewinns und den kleinen Pflichtteil zu verlangen oder aber – ohne Ausgleich des effektiven Zugewinns – den nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöhten Pflichtteil geltend zu machen. Hierfür sprechen nach meiner Auffassung folgende Aspekte:
1. § 1371 Abs. 3 BGB
Der überlebende Ehegatte kann nach dieser Regelung unabhängig von §§ 2306, 2307 BGB den Pflichtteil verlangen und zwar auch gerade dann, wenn ihm dieses Recht nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustünde. Als erbrechtliche Bestimmung eröffnet § 2306 BGB aber gerade diese Möglichkeit und ordnet als Rechtsfolge der Ausschlagung an, dass der Ausschlagende den Pflichtteil verlangen kann.
Eine Reduzierung der in § 1371 Abs. 1 BGB genannten Bemessungsgrundlage ergibt sich aus § 2306 BGB nicht.
2. § 1371 Abs. 2 BGB
a) Erbeinsetzung
Die h.M. macht geltend, dass es dem Erblasser unbenommen sein muss, den überlebenden Ehegatten durch Enterbung auf den güterrechtlichen Ausgleich festzulegen. Diese Situation ist aber in den Fällen des § 2306 BGB gerade nicht gegeben. Der testierende Ehepartner hat in den Fällen des § 2306 Abs. 1 BGB den Überlebenden zum Erben eingesetzt. Damit stellt sich die Frage inwieweit § 1371 Abs. 2 BGB einschlägig ist. Die Ausschlagung wirkt zwar zurück, nach der in § 1953 Abs. 1 BGB gewählten Wortwahl "so gilt der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt" handelt es sich dabei aber um eine Fiktion. Der überlebende Ehegatte ist damit – zunächst – Erbe geworden, mit der Konsequenz, dass § 1371 Abs. 2 BGB erst im Nachhinein greift.
b) Qualifikationen
Die Beschränkung der Rechtsfolgen für den ausschlagenden Ehegatten auf § 1371 Abs. 2 BGB wird mit der güterrechtlichen Funktion von § 1371 Abs. 1 BGB in dem Sinne begründet, dass die vorgesehene Erhöhung des Ehegattenerbrechts zur Disposition der Parteien steht....