Leitsatz
1. Die Relativität von Prozessrechtsverhältnissen beschränkt bei Klagen, die auf Feststellung des Erbrechts gerichtet sind, nicht den Prüfungsumfang des Gerichts hinsichtlich der Auslegung von Verfügungen von Todes wegen. Verfügungen des Erblassers dürfen auch dann der Entscheidung zugrunde gelegt werden, wenn sie das konkrete Prozessrechtsverhältnis nur mittelbar betreffen.
2. Deshalb bleibt eine auf Feststellung des Erbrechts gerichtete Feststellungsklage auch dann erfolglos, wenn ein Dritter, der nicht am Rechtsstreit beteiligt ist, zweifelsfrei Erbe geworden ist.
3. Wird über die positive Feststellung der eigenen Erbenstellung hinaus die Feststellung beantragt, die beklagte Partei sei nicht Erbe geworden, besteht für eine solche Klage kein Feststellungsinteresse.
4. Geht es um die Frage, ob eine Ersatzerbeneinsetzung gegen § 14 HeimG verstößt, setzt ein Verstoß voraus, dass zwischen dem Testierenden und dem Ersatzerben Einvernehmen im Hinblick auf die Zuwendung vorliegt (Anschluss an BayObLG München, Beschl. v. 13.9.2000 – 1Z BR 68/00, FamRZ 2001, 1170 und KG Berlin, Beschl. v. 14.5.1998 – 1 W 3540/97, ZEV 1998, 437).
OLG München, Beschl. v. 5.7.2021 – 33 U 7071/20
1 Tatbestand
Mit ihrer Klage vom 29.4.2020 begehrt die Klägerin (im Hauptantrag) Feststellung, wonach sie Alleinerbin der am 18.3.2014 verstorbenen Erblasserin geworden sei. Sie hält die Erbeneinsetzung der Beklagten wegen Verstoßes gegen § 14 HeimG für nichtig. In ihrer Klageschrift ist sie der Ansicht, das gesamte Testament sei gem. §§ 138, 139 BGB nichtig (Klageschrift vom 29.4.2020, dort Seite 13). Bei der Ersatzerbeneinsetzung handele es sich ebenfalls um ein nichtiges Umgehungsgeschäft.
Sie beruft sich im Ergebnis auf die gesetzliche Erbfolge. Sie ist der Ansicht, dass das notarielle Testament der Erblasserin vom 30.4.2010 insgesamt nichtig sei.
In diesem Testament ordnete die Erblasserin u.a. an:
Zitat
Ziffer II:
Frau U. E. bestimmt hiermit letztwillig:
1. Sie setzt zu ihrem alleinigen und ausschließlichen Erben ein die eine rechtsfähige kirchliche Stiftung i.S.d. bürgerlichen Rechts gemäß Art. 1 Abs. 2 des bayerischen Stiftungsgesetzes (Stiftungsurkunde in Kopie ist formlos beigefügt).
2. Ersatzerbe soll sein die mit der Auflage, den Nachlass ausschließlich zu Modernisierung des W.-Hauses Altenpflegeheim, F. 9, in K., und zur Anschaffung von Therapieeinrichtung in diesem Heim zu verwenden.
Dem Erben wird zur Auflage gemacht, das Grab der Erblasserin auf die Dauer der öffentlichen Gräberruhe ordnungsgemäß und ortsüblich zu pflegen und instand zu halten.
3. Frau E. schließt ihren Sohn R. E. und seinen Stamm von jeder Erbfolge nach ihr aus.
Hilfsweise begehrt die Klägerin Zahlung von 22.805,61 EUR nebst Zinsen mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1.4.2014. Zum Hilfsantrag führt die Klägerin aus, es handele sich insoweit um das rechtsgrundlos erlangte Erbschaftsguthaben (Seite 5 der Klageschrift, Bl.5 d. A.).
Im Erbscheinserteilungsverfahren vor dem AG Kempten Nachlassgericht (5 VI 0409/14) lehnte das Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins zugunsten des Sohnes R. E. mit Beschl. v. 23.6.2017 ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde nahm der Beschwerdeführer nach Hinweis des OLG München (31 Wx 292/17) zurück.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des LG K. (A.) Bezug genommen, § 522 Abs. 2 S. 4 ZPO.
Das LG hat die Klage mit Endurteil vom 12.11.2020 abgewiesen und sich im Wesentlichen darauf gestützt, dass ein Fall von § 14 HeimG nicht vorliege, weil die Beklagte nicht Trägerin bzw. Beschäftigte i.S.d. § 14 HeimG sei.
Gegen dieses Endurteil richtet sich die Berufung der Klägerin, die in der Berufungsinstanz beantragt (Bl. 81/82 d. A.):
1. Das am 12.11.2020 verkündete Endurteil des LG Kempten, 33 O 649/20, wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass nicht die Beklagte und Berufungsbeklagte, sondern die Klägerin und Berufungsklägerin Erbin nach der am 21.7.1921 geborenen und am 18.3.2014 verstorbenen Erblasserin U. E. geworden ist.
3. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin vorgerichtliche Anwaltskosten über 1.242,84 EUR nebst Zinsen mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 12.4.2020 zu bezahlen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin,
4. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin 22.805,61 EUR nebst Zinsen mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 1.4.2014 zu bezahlen.
5. Die Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin und Berufungsklägerin außergerichtliche Anwaltskosten über 1.442,84 EUR nebst Zinsen mit 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 12.4.2020 zu bezahlen.
Die Beklagte beantragt (Bl. 85 d. A.),
die Berufung zurückzuweisen.
Mit Hinweisbeschluss des Senats vom 6.4.2021 (Bl. 103/111 d. A.), auf den Bezug genommen wird, wurde die Klägerin darauf hingewiesen, dass und warum der Senat beabsichtigt, ihre Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unb...