Ist eine stärkere Stellung des überlebenden Ehepartners gewünscht, so kann alternativ zur Anordnung von Vor- und Nacherbfolge das eigene Kind als Vollerbe eingesetzt werden verbunden mit der Anordnung eines umfassenden Nießbrauchsvermächtnisses zugunsten des überlebenden Ehepartners am Nachlass oder an einzelnen Nachlassgegenständen des Erstversterbenden.

 

Tipp:

In dieser Konstellation ist ein Nießbrauchsrecht an einzelnen Nachlassgegenständen wie einer Immobilie oder einem Wertpapierdepot vorzuziehen.

Um die Position des überlebenden Partners zu stärken, kann der Erblasser ihn zum Dauertestamentsvollstrecker ernennen. Das ermöglicht ihm, über die Nachlassgegenstände zu verfügen, wenn auch nur unentgeltlich (§ 2205 S. 3 BGB).

Diese als sog. "Württembergisches Modell" bezeichnete Gestaltung im Rahmen des gemeinschaftlichen Ehegattentestaments lässt sich bei einer Patchworkkonstellation entsprechend gut anwenden.

Vorteile sind:

Dem überlebenden Partner bleiben Verfügungsmöglichkeiten erhalten.
Die Kinder sind gesichert.
Die erschaftsteuerlichen Nachteile der Vor- und Nacherbschaft können vermieden werden.

Wenn diese Regelung im Rahmen eines gemeinschaftlichen Testaments oder durch Erbvertrag getroffen wird, so sollten die Wechselbezüglichkeit und die damit verbundene Bindungswirkung auf die zugunsten des Partners getroffene Regelung beschränkt bleiben und die jeweils eigenen Kinder nur testamentarisch bedacht werden.

Auch bei dieser Gestaltung sollte an Pflichtteilsverzichte gedacht werden:

Zum einen sollte bei Erbeinsetzung der eigenen Kinder ein Pflichtteilsverzicht erfolgen, um zu verhindern, dass sie gem. § 2306 Abs. 1 BGB das ihnen Zugewandte ausschlagen und den Pflichtteil geltend machen. Gegebenenfalls kann der Verzichtende dadurch abgesichert werden, dass nachträgliche Verfügungen des überlebenden Ehegatten sicherstellen müssen, dass der Verzichtende immer einen Anteil in Höhe des Pflichtteils bezogen auf den Wert des ersten Erbfalls erhält.
Zum anderen sollte an einen Pflichtteilsverzicht des überlebenden Ehepartners gedacht werden, um entsprechende Regelungen nicht durch die Geltendmachung des Pflichtteilsrechts durch diesen zu erschweren.

Muster: Pflichtteilsverzicht und modifizierte Zugewinngemeinschaft

Zitat

Ein jeder von uns verzichtet hiermit auf sämtliche Pflichtteilsansprüche am Nachlass des jeweils anderen Ehegatten. Wir nehmen diese Verzichtserklärungen gegenseitig an. Zuwendungen in Verfügungen von Todes wegen sind von diesem Verzicht ebenso wenig erfasst wie das gesetzliche Erbrecht und Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen solcher Schenkungen, die in Zukunft getätigt werden. Von dem Verzicht erfasst sind aber Pflichtteilsergänzungsansprüche wegen Schenkungen, die in der Vergangenheit an die erstehelichen Kinder getätigt worden sind.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass beispielsweise ein spät verheiratetes Paar hier zulasten der Kinder aus früheren Beziehungen den Pflichtteilsverzicht durch einen entsprechenden Aufhebungsvertrag gem. § 2351 BGB beseitigt.

Nach Auffassung des BGH ist der Erblasser nicht gehindert, den Pflichtteilsverzicht zusammen mit seinem Ehepartner einvernehmlich aufzuheben und damit den Pflichtteilsberechtigten am Nachlass wieder zu beteiligten, auch wenn er durch einen Erbvertrag gebunden ist.[7]

Der Ehemann ist sogar berechtigt, ohne Aufhebung des Pflichtteilsverzichts seiner Ehefrau Zuwendungen unter Lebenden im Rahmen ihres Pflichtteils machen, ohne dass sie nach seinem Tode Ansprüche der Kinder nach § 2287 BGB befürchten müsste, weil § 2287 BGB nur die berechtigten Erberwartungen des Vertragserben schütze und dessen Erberwartung aus dem Erbvertrag daher eben nicht berechtigt sei, soweit der Pflichtteil der Ehefrau reiche.[8]

Zu berücksichtigen ist in der Gestaltungspraxis, dass dieses den Schutz der wechselbezüglichen Bindung nicht unerheblich einschränkt, insbesondere wenn die Eheleute, wie bei Spätehen durchaus üblich, eine Gütertrennung vereinbart haben. Nur in Ausnahmefällen kann dem Pflichtteilsberechtigten eine Berufung auf die Wirksamkeit der Aufhebung des Pflichtteilsverzichts nach Treu und Glauben versagt sein.[9]

Wenn die Kinder aus der früheren Ehe tatsächlich befürchten, dass der Pflichtteilsverzicht durch spätere Vereinbarung aufgehoben wird, sollten sie vorsorglich eine Verpflichtung zur Nichtaufhebung des Pflichtteilsverzichts vereinbaren. Dies führt zwar nicht zu einer Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrags, sondern nur dazu, dass bei einem Verstoß gegen diese Verpflichtung Schadensersatzansprüche entstehen.

Des Weiteren können der Verzichtende, also der neue Ehepartner und die Begünstigten, also die erstehelichen Kinder, nach § 311b Abs. 5 S. 1 BGB untereinander eine Verpflichtung zur Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsanspruchs treffen.

[7] BGH, Urt. v. 12.6.1980, BGHZ 77, 264; BGH, Urt. v. 28.9.1983, BGHZ 88, 269.
[8] BGH, a.a.O. sowie Hausmann, DNotZ 2011, 602.
[9] Grüneberg/Weidlich, 2287 Rn 5; Kanzleiter, DNotZ 2009, 86, 90.

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