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Je nach Datenquelle sind etwa 7–13 Prozent der Familien in Deutschland Stief- bzw. Patchworkfamilien, d.h. Familien, in denen entweder zu dem biologischen Elternteil ein sozialer Elternteil hinzutritt oder ein verstorbener Elternteil durch einen sozialen Elternteil ersetzt wird. Das gesetzliche Erbrecht nimmt auf die besonderen Strukturen und Bedürfnisse von Patchworkfamilien keinerlei Rücksicht. Eine Verfügung von Todes wegen ist somit dringend erforderlich, deren Gestaltung von der gewünschten Zielsetzung des Erblassers abhängig ist.
I. Einführung
1. Patchworkfamilie: Begriff und Erscheinungsformen
Die sog. Patchwork-Familien treten in vielfältigen Erscheinungsformen auf und haben ihre Ursache sowohl in hohen Scheidungszahlen als auch nichtehelichen Lebensgemeinschaften sowie in der ebenfalls gestiegenen Anzahl von Folgeehen. Daher gibt es nicht "die" Stieffamilie, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher Familienformen, in denen entweder zu den biologischen Elternteilen ein sozialer Elternteil hinzutritt oder ein verstorbener Elternteil durch einen sozialen Elternteil ersetzt wird.
Unabhängig von der jeweiligen Form bzw. des jeweiligen Typus der Stieffamilie lautet eine gängige Definition von Stieffamilie wie folgt:
Zitat
"Eine Stieffamilie ist eine um Dauer bemühte Lebensgemeinschaft, in die mindestens einer der Partner mindestens ein Kind aus einer früheren Partnerschaft mitbringt, wobei das Kind bzw. die Kinder zeitweise auch im Haushalt des jeweils zweiten leiblichen Elternteils leben kann bzw. können".
Die Definition schließt sowohl verheiratete Paare, nichteheliche Lebensgemeinschaften, eheliche oder nichteheliche Paare mit getrennten Haushalten (Living-Apart-Together) sowie Alleinerziehende mit ein. In der Statistik werden Stieffamilien üblicherweise als Familien erfasst, in denen Kinder, die aus früheren Partnerschaften stammen, im Haushalt leben. Als Abgrenzung dazu wird hier die Kernfamilie als Familie definiert, die aus einem verheirateten Elternpaar mit leiblichen Kindern besteht.
2. Rechtliche Grundlagen
Stiefeltern und Stiefkinder sind nicht miteinander verwandt, aber sie sind miteinander verschwägert (§ 1590 Abs. 2 BGB). Eine Gleichstellung von Stiefkindern mit gemeinsamen Kindern kann nur durch eine Adoption erfolgen, die sog. Stiefkindadoption.
Es gibt keine Rechtsvorschriften im materiellen deutschen Erbrecht die Patchworkfamilie betreffend. Stiefkinder sind den leiblichen Kindern nicht gleichgestellt, d.h., sie sind weder erb- noch pflichtteilsberechtigt.
Die erbrechtlichen Regelungen sind daher oftmals unbefriedigend. Wenn beispielsweise ein Ehepaar, jeweils mit Kindern aus früheren Beziehungen, gemeinsam eine Immobilie erwirbt und der eine Partner verstirbt, so wird der überlebende Partner ohne anderweitige Regelung neben den Kindern aus der ersten Beziehung Erbe. Je nach dem Stand der Beziehung zwischen überlebendem Ehepartner und Stiefkind sieht sich der überlebende Partner unter Umständen Ansprüchen auf die Immobilie ausgesetzt.
Andererseits werden die Kinder des Längstlebenden im ersten Todesfall komplett vom Nachlass ausgeschlossen.
Ein weiteres Problem kann sich daraus ergeben, dass die Patchworkpartner aufgrund früherer Verfügungen von Todes wegen nicht frei testieren können (§ 2289 Abs. 1 BGB). Dies betrifft vor allem verwitwete Partner, wenn die Bindungswirkung für wechselbezügliche Verfügungen nach dem Tod des Erstversterbenden eingetreten ist.
Etwas anderes kann gelten, wenn durch eine Wiederverheiratungsklausel die ursprüngliche Bindungswirkung durch die Wiederheirat wegfällt. Wenn der überlebende Ehegatte durch die Wiederheirat die Vorteile verliert, die ihm beim Tod des Erstversterbenden zugeflossen sind, wird er regelmäßig von der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments befreit. Zu beachten ist aber, dass dies letztendlich eine Auslegungsfrage ist, die von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt ist.
II. Gestaltungsziele
1. Grundsätzliche Überlegungen
Die interessengerechte Nachfolgeplanung hängt davon ab, welche Ziele die Eltern bzw. Erblasser anstreben.
Aus unterschiedlichen Beziehungskonstellation können differenzierende Wünsche für die Gestaltung der Nachfolgeregelungen resultieren.
Entscheidend für die interessengerechte Gestaltung des Nachlasses ist es, herauszuarbeiten, welche Ziele die Testierenden anstreben. Zu unterscheiden ist insbesondere, ob eine Bevorzugung der jeweils eigenen Kinder vor den Stiefkindern oder eine Gleichbehandlung aller Kinder gewünscht ist. Dabei ist bei der Gestaltung auch zu berücksichtigen, ob die Testierenden miteinander verheiratet sind.
2. Sicherung der jeweils eigenen Kinder
Was passiert ohne eine ...