Nach Art. 35 EuErbVO ist eine Rechtsnorm dann nicht anzuwenden, wenn diese Anwendung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Entscheidend ist das konkrete Ergebnis der Rechtsanwendung, nicht der abstrakte Regelungsgehalt der ausländischen Regel an sich. Schon durch den Wortlaut des Art. 35 EuErbVO, nach dem die Unvereinbarkeit "offensichtlich" zu sein habe, wird klar, dass der Art. 35 EuErbVO eng auszulegen ist und nur in Ausnahmefällen zur Anwendung kommen soll. Eine weitere Einschränkung erfolgt dadurch, dass ein hinreichend starker Inlandsbezug zu fordern ist.
Ein solches enges Verständnis des Art. 35 EuErbVO ist mit Blick auf die Konzeption der EuErbVO zwingend. Diese geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Rechtswahl und einem ausreichenden Schutz der hierdurch Betroffenen, insbesondere der Pflichtteilsberechtigten, dadurch aus, dass nach Art. 22 EuErbVO nur das Heimatrecht des Erblassers gewählt werden kann, wie auch Erwägungsgrund 38 EuErbVO entnommen werden kann. Umgekehrt sind die sich daraus ergebenden Beschränkungen des Pflichtteilrechts der Pflichtteilsberechtigten grundsätzlich hinzunehmen. Ein zu weites Verständnis des ordre public Vorbehalts liefe dem Harmonierungsziel der EuErbVO gravierend zuwider.
Hieran ändert sich nichts durch Einstellung der Wertungen aus dem Beschluss des BVerfG vom 19.4.2005. Dieser bezog sich nur auf innerdeutsche Sachverhalte, sodass sich schon aus diesem Grund eine unbesehene Übertragung der durch das BVerfG getroffenen Aussagen auf einen Auslandssachverhalt verbietet. Zwar kommt der Beachtung der deutschen Grundrechte aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Rangs im Rahmen des ordre public eine herausragende Bedeutung zu, ihre Bedeutung und Reichweite kann allerdings auch nach der Rechtsprechung des BVerfG bei Sachverhalten mit Auslandsberührung vorab einzuschränken sein. Nach dem "Spanierbeschluss" des BVerfG ist im Einzelfall zu prüfen, inwieweit das jeweilige Grundrecht "nach Wortlaut, Inhalt und Funktion unter Berücksichtigung der Gleichstellung anderer Staaten und der Eigenständigkeit ihrer Rechtsordnungen für auslandsbezogene Sachverhalte Geltung erlangt". Nicht jede Rechtsanwendung, die bei einem rein innerdeutschen Sachverhalt grundrechtswidrig wäre, ist dies auch bei Vorliegen eines Auslandssachverhalts und damit geeignet, einen ordre public Verstoß zu begründen.